Buchauslese – Teil 21

»Drei Kameradinnen« ist für Sarah Bloch seit langer Zeit mal wieder eines dieser Bücher gewesen, das sie nicht aus der Hand legen konnte. Shida Bazyar zeichnet in ihrem zweiten, gerade erschienenen Roman das eindringliche Porträt der Freundschaft von Saya, Hani und Kasih und gleichzeitig verfasst sie einen Kommentar auf unsere von Rassismus, Sexismus und rechter Gewalt gezeichnete Gegenwart. Dieser Kommentar schimmert nicht etwa leise oder subtil zwischen den Zeilen hervor, sondern schlägt den Lesenden kompromisslos und wütend entgegen. »Drei Kameradinnen« hat Sarah Bloch gleichermaßen an die Hand genommen und vor den Kopf gestoßen. Aber der Reihe nach.

Die Freundinnen Saya, Hani und Kasih, die sich seit ihrer Jugend in der Siedlung kennen, treffen sich anlässlich einer Hochzeit für ein paar Tage wieder. Die gemeinsamen Tage sind nicht nur der Countdown zu einem Feuer und einer Nacht, die alles ins Wanken bringt, sondern auch ein Anknüpfen an alte Zeiten. Mit der Rückkehr in ihren vertrauten Mikrokosmos schlüpfen die Freundinnen in altbekannte Rollen, hinterfragen und bewerten Entscheidungen und Lebenssituationen der jeweils anderen und das alles in der Gewissheit, Dinge benennen zu können, es aber auch nicht unbedingt zu müssen. Diese lebendige und tiefgründige Beschreibung von Freundinnenschaft ist der Kern, um den Shida Bazyars Roman kreist.

Und gleichzeitig ist »Drei Kameradinnen« so viel mehr: Es ist eine Anklageschrift und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Strategien im Umgang mit Diskriminierung und Rassismus. Da ist Hani, die alles erträgt und sich arrangiert, da ist Saya, die den alltäglichen Rassismus benennt und auf den Tisch haut, und da ist die Frage nach der Bezeichnung und den Grenzen dessen, was Anderen gegenüber nicht unbedingt in Worte gefasst werden kann, aber trotzdem Reibung und Irritation verursacht. Die Blicke, das Bier, das für die Anderen 1,30 Euro kostet, das Jobangebot, das nichts mit Kasihs Qualifikationen, aber irgendetwas mit Migrant*innen zu tun hat, und rechter Terror. Egal, ob über den Dächern der Stadt, auf Partys oder in den Rückblenden in Kindheit und Jugend, die Ablehnung und Infragestellung von »Andersartigkeit« ist allgegenwärtig. Shida Bazyar ist nicht die erste, die es benennt, aber sie tut es in radikaler Form, kompromissloser Sprache und mit unbedingter Kraft.

»Drei Kameradinnen« ist auch ein großes Spiel mit Wahrheit, Fiktion und Vertrauen. Welche Ereignisse sind fiktionalisiert, was ist dramatisiert, was ist vielleicht komplett erfunden und was kann und darf sich die zunehmend unzuverlässige Erzählerin Kasih herausnehmen? »Ihr wartet auf den Moment, in dem ich erkläre, wer von uns aus welchem Land kommt. Das nämlich müsst ihr wissen, bevor ihr euch ins uns eindenken könnt. Das ist für euch eine ungefähr so wichtige Information wie die, am Rand welcher deutschen Kleinstadt wir aufgewachsen und wie alt wir sind und wer von uns die heißeste ist. Ich sage euch dazu nichts. Da müsst ihr durch.« Mal böse, mal zart, mal witzig, mal nachdenklich, immer ist Kasih den Lesenden einen Schritt voraus und entlarvt gnadenlos Gedanken, die diese gerade noch im Begriff waren zu formen.

Der Autor und Poetry Slammer Pierre Jarawan sagte über Shida Bazyars »Drei Kameradinnen«, es sei »ein Roman, der einem beim Lesen gleichzeitig über die Wange streichelt und einen Kinnhaken verpasst. Das Erstaunliche ist: Am Ende wünscht man sich mehr von beidem.« Viel passender und kürzer lässt es sich nicht zusammenfassen!

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