Buchauslese – Teil 22

Ja, es ist in der Tat immer eine ganz besondere Sache, wenn ein*e Rezensent*in (in diesem Fall Karsten Strack) den Versuch wagt, das Werk einer*s ihr*ihm persönlich bekannten Autorin*s zu besprechen – insbesondere dann, wenn beidseitig deutliche Sympathien vorhanden sind. Allzu groß erscheint die Gefahr – besser: – Versuchung, mindestens ein Gefälligkeitsgutachten zu verfassen, obwohl möglicherweise weder Inhalt noch Stil auf substanzielle Begeisterung stoßen, um die sehr gute Bekanntschaft gegebenenfalls nicht zu gefährden.

Warum ich diese Erörterungen meiner Rezension des Debütromans »Du bist dran« der österreichischen Autorin Mieze Medusa voranstelle, ist natürlich schon jetzt offensichtlich. Denn: Als ich von meiner sehr geschätzten Poetry-Slam-Kollegin Mieze erfuhr, dass ihr erster Roman bald veröffentlicht wird, bat ich sie unvorsichtigerweise direkt um ein Rezensionsexemplar, wohl wissend, dass sie mir dieses dann auch umgehend nach der Publikation zukommen lassen würde.

Das Erste, was ich beim Erhalt erblickte, war dann zumindest schon einmal ein sehr hochwertiges Cover – eine wunderschöne Zeichnung von Helene Traxler, sehr stilvoll und mit hohem Wiedererkennungswert von Thomas Kussin in Szene gesetzt. Aber bereits in den 1980er Jahren sang die Band ABC in ihrem Welthit »The look of love« die Zeilen: »If you judge a book by the cover / Then you judge the look by the lover« und verwiesen damit nahezu dialektisch auf die damit verbundenen Probleme.

Also: Auch hier geht es dann doch stärker um die inneren Werte – und diese kann ich vorbehaltlos empfehlen.

Ich habe das Buch in zwei Zügen nicht nur gelesen, sondern es mir wie ein opulentes, bodenständiges Mahl mit Begrüßungs- und Abschlussouzo geradezu einverleibt. Wobei dieses Bild auch gar nicht schief ist, schließlich ist ein griechisches Restaurant namens »Poseidon« immer mal wieder Schauplatz des Romans. Hier arbeitet die junge Agnesa, die mit ihrer griechischen Großmutter ein Zimmer teilt. Weiterhin Protagonist ist der etwa 40-jährige Eduard, dessen Job es ist, Firmennetzwerke vor Hackerangriffen zu bewahren, und der es als eine zentrale private Aufgabe ansieht, die Exfreundin im Internet auszuspionieren. Die dritte Hauptfigur heißt Felicitas, von Hause aus linke Aktivistin mit profunden Kenntnissen der Lehren von Marx und Adorno, die etwas in die Jahre gekommen und vor allem der Liebe wegen aus der Stadt in das Dorf gezogen ist.

Mit Akribie und einer äußerst lebendigen Sprache widmet sich Medusa ihren Protagonist*innen, zeichnet deren Haltungen und Zweifel sehr griffig in einer Mischform aus inneren Monologen und – mitunter sehr knappen – Dialogen nach. Hier werden nicht nur drei Generationen greifbar, weil ihre Vertreter*innen maximal authentisch daherkommen, sondern es kommt zu einem allumfassenden Meeting of Generations – zunächst in mentaler Hinsicht und dann auch noch in Form von physischen Begegnungen.

Medusa nimmt sich thematisch viel vor, verleiht der Komplexität jedoch eine derartige sprachliche Leichtigkeit, dass das, was die einzelnen Generationen umtreibt, auch für die jeweils anderen greifbar wird. Veranschaulichen möchte ich dies an einer von vielen Textpassagen, die allein schon für sich genommen in sich geschlossene Kunstwerke sind: »Manchmal, in der Früh im Bett, wenn mein Körper schlafwarm ist und noch keine Signale der Abnutzung sendet, erreiche ich ein gleißendes Glück der Zufriedenheit. Dann gehe ich ins Badezimmer. Im Spiegel sehe ich nicht mein Kindergesicht, sondern erschrecke vor der Frau, die meinen Blick erwidert. Ich sehne mich nicht danach, wieder jung zu sein. Aber ich will unversehrte Knie und von einem Apfel einfach abbeißen können. Ich wünsche mir Nachrichten aus der Ferne. Abgesehen davon habe ich Frieden gemacht mit dem, was war, und dem, was ist. Ach, Frieden, ein großes Wort. Wir schießen nicht mehr scharf«, gibt Felicitas eindringlich und anschaulich Auskunft über eben das, »was war«, und das, »was ist« und liefert so ganz hervorragendes Baumaterial für eine äußerst tragfähige Brücke zwischen den Generationen.

Kurzum: Mieze Medusa liefert mit »Du bist dran« ein fulminantes Buch für die ganze Familie.

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