Schmökern im Corona-Shutdown – Teil 9

DEN ROMAN »LILA, LILA« VON MARTIN SUTER HAT CHARLOTTE TAPPMEIER IM LAUFE IHRES LEBENS VIERMAL GESCHENKT BEKOMMEN – AN VIER VERSCHIEDENEN GEBURTSTAGEN, VON VIER VERSCHIEDENEN PERSONEN. UND JEDES MAL VERPACKT IN WUNDERSCHÖNES PAPIER UND MIT EINER SCHLEIFE VERSEHEN. LAG ES AN DER LIEBESGESCHICHTE ODER AN DEM SCHÖNEN COVERBILD, WESHALB GEBURTSTAGSGÄSTE DEN ROMAN SO GERN VERSCHENKTEN? GELESEN HAT CHARLOTTE TAPPMEIER DEN ROMAN JEDENFALLS NUR EIN EINZIGES MAL.

Die Geschichte ist zunächst einfach: David liebt Marie. Marie liebt Literatur. Also gibt David, der eigentlich nur Kellner einer Bar ist, sich als Autor eines Manuskriptes aus, welches er in Wirklichkeit in einem alten Nachttisch gefunden hat. Als vorgeblicher Autor will er aber Maries Herz erobern. »Du interessierst dich doch für Literatur […] Darf ich dir einmal etwas zu lesen geben?« Marie saugt die augenscheinliche Liebesgeschichte nur so auf. Die Idee, oder vielmehr der hoffnungsfrohe Wunsch, Marie durch das Manuskript zu beeindrucken, geht also auf: »Marie hatte Tränen in den Augen, als sie kurz nach vier die letzte Seite gelesen hatte.«

Doch die romantische, beinahe naive Idee des einfachen und eigentlich bescheidenen Kellners, durch eine Lüge das Herz einer Frau zu gewinnen, entwickelt sich regelrecht zu einer Katastrophe: Marie, die David für den Autor hält, ist hingerissen und bietet das Manuskript ohne sein Wissen einem Verlag an. »Lila, Lila« – denn so heißt nicht nur der Roman von Martin Suter, sondern auch das Manuskript des verliebten Davids – wird zu einem Bestseller und Marie Davids Geliebte. Als Hochstapler, ohne es gewollt zu haben, geht er also auf Lesereise. Für die Wahrheit ist David zu feige und, um es genau zu sagen: zu verliebt!

In Suters Buch gibt es also einen Roman im Roman. Der gefundene Text aus dem alten Nachttisch erhält im Laufe der Geschichte den Titel des eigentlichen Romans: »Lila, Lila«, in das er eingebunden ist. Martin Suter gibt hier den Leser*innen kurzweilig jenes Gefühl, das auch Marie hatte: als hätte nicht der Autor Suter das vorliegende Buch verfasst, sondern die Romanfigur David. Auch wenn es bloß eine Lüge ist, die den literarischen Plot am Laufen hält.

Ich empfand den Roman von Martin Suter nie als eine klassische Liebesgeschichte: Mann trifft Frau. Mann und Frau verlieben sich ineinander. Eine kleine bis große Katastrophe geschieht. Doch Liebe überwindet bekanntlich alles. Happy End.

Vielmehr ist es eine tragische, zuweilen auch komische, auf jeden Fall sehr spezielle Liebesgeschichte. Eine Geschichte, in der man Erfolg haben muss, um Beachtung zu finden und in der man vorgeben muss, jemand anders zu sein, um geliebt zu werden. Berührend, aber tragisch. Tragik und Liebe, so glaube ich, muss ich nicht an jedem Geburtstag lesen. Aber einmal war es schön!

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