Schmökern im Corona-Shutdown – Teil 4

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die ganz besonders große Freude bereiten. Daher stellt Ihnen in dieser Woche Christin Harpering Arundhati Roys Erzählung »Der Gott der kleinen Dinge« vor.

Wie kann ein so kleines Buch einen so großen Platz in meiner Gedankenwelt für sich beanspruchen? Seit einigen Jahren steht der 1997 erschienene Roman »Der Gott der kleinen Dinge« von Arundhati Roy in meinem Regal. Wenn mein Blick über die Reihen der Bücher gleitet, bleiben meine Augen immer kurz bei dem Roman stehen und ich erinnere mich, wie sehr mich die Geschichte um das Geschwisterpaar Rahel und Estha bewegt hat.

Die zweieiigen Zwillinge, optisch vollkommen unterschiedlich jedoch mit einer tiefen Verbindung, treffen nach Jahren der Trennung in ihrer Heimat, der Stadt Ayemenem in der Region Kerala, Indien, aufeinander. Ihre Tante bat sie, zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Rahel lebte inzwischen in den USA, Estha beim Vater in Kalkutta. Nach 24 Jahren sehen sie sich 1993 nun wieder. Mit der Rückkehr beginnt ein Prozess der Erinnerung und Reflexion: Traumatische Erlebnisse und schwerwiegende Entscheidungen waren der Trennung vorausgegangen, die Familie war zerbrochen und jede*r Einzelne hatte sich dem Schicksal gefügt.

Die Erzählung stößt die Tür in die Vergangenheit der Figuren weit auf. Roy gelingt es, die Charaktere liebevoll und klar zu zeichnen und zeigt so ihre Entwicklung in einem postkolonialen Indien, in dem das Kastensystem das Leben bestimmt, politische Programme der Umwelt schaden und das soziale Band der Familie zunehmend unter Spannung gerät. So behandelt die Erzählung die »großen Dinge« des Lebens.

Die Sprache allerdings legt den Fokus auf die »kleinen Dinge«. Sie ist so reich und bildgewaltig, dass ich mich als Lesende in einem Wirbel von Farben und Eindrücken verliere: Blumen welken in der Hitze, Tränen tropfen vom Kinn wie Regentropfen von einem Dach, eine junge Fledermaus klettert an einem Sari hoch. Roy stemmt den strikten Regeln, denen sich die Figuren unterwerfen müssen, eine farbenfrohe Sprache entgegen und erstellt ein schillerndes Mosaik, das sich zu einem eindrucksvollen Ganzen zusammensetzt.

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