»Text auf Raten« präsentiert Klassiker der (Welt)Literatur in Ostwestfalen-Lippe. Lesungen aus großen literarischen Werken werden mit zeitgenössischen Rezeptionen auf die Bühne gebracht. In diesem Jahr steht Mary Shelleys »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« im Fokus.
Rate 1: Text+Film
Victor Frankenstein und das von ihm geschaffene Wesen sind aus der Filmwelt nicht wegzudenken. Der Stoff des Meisterwerks wurde inzwischen mehr als 100-mal für Kino und Fernsehen verfilmt. Eine Erfolgsgeschichte, die nicht nur verschiedene Zeitperioden (von 1910 bis in die Gegenwart) durchläuft, sondern auch unterschiedliche Filmgenres. Der Schöpfer und sein Geschöpf sind in Horror- und Splatterfilmen, in fantastischen Interpretationen sowie in einer Gruselkomödie und einem Animationsfilm zu sehen – die filmische Freiheit war dabei häufig sehr groß, von der Romanvorlage blieb zuweilen nur das Geschöpf erhalten.
Im Die Birke Filmtheater ist mit Auszügen aus verschiedenen Verfilmungen ein Querschnitt der Frankenstein-Filmgeschichte zu sehen – vom schwarz-weiß Film von 1931, der dem Monster ein weltweit bekanntes Gesicht verliehen hat, über den ersten Farbfilm von 1957, bei dem insbesondere an Filmblut nicht gespart wurde bis zur Verfilmung von und mit Kenneth Branagh (1994), die sich relativ eng an die Vorlage hält. Zudem wird in einer Premiere der »Frankenstein-Poetry-Clip« präsentiert.
Der Schauspieler Kilian Land liest Textsequenzen aus Mary Shelleys »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« und spannt damit einen inhaltlichen Bogen zwischen den unterschiedlichen Filmauszügen. In dieser Rate geht es um den Beginn des Romans; um die Erschaffung des Wesens und seine schicksalhafte Wandlung zum Mörder.
Rate 2: Text und Musik
20. Oktober 2022, Buchhandlung Kafka, Detmold
Rate 3: Text und Tanz
25. Oktober 2022, Buchladen Auslese, Herford
Rate 4: Text und Comic
26. Mai 2022, Buchhandlung LESBAR, Beverungen
»Frankenstein oder Der moderne Prometheus« in OWL
An vier aufeinanderfolgenden Abenden wird an vier unterschiedlichen Orten »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« von Künstler*innen vielfältig interpretiert. Fast jede*r hat von Frankenstein gehört oder gesehen, da die Geschichte der geschaffenen Kreatur vielfach rezipiert wurde. Vom Kino über Tanz bis zum Comic. Wie haben die anderen Künste das Frankenstein-Motiv aufgenommen und weiterverarbeitet? Wie haben sie dazu beigetragen, dass ein gemeinhin verzerrtes Bild des im Roman entwickelten Originals entstanden ist? Eine Annäherung an das Zusammenspiel von Text und der Rezeption in den anderen Künsten liefern die vier Veranstaltungstage und die digitale Rate. Als roter Faden ziehen sich die Lesungen aus dem Originaltext durch die Veranstaltungsreihe, sie korrespondieren mit Musik, Film, Tanz oder Comic-Rezeptionen. Natürlich kann »Text auf Raten« den umfangreichen Text nicht in Gänze zu Gehör bringen, ausgewählte Sequenzen vermitteln jedoch unterschiedliche Perspektiven des Werkes, so dass ein leichtfüßiger Gesamteindruck entsteht.
Die in Mary Shelleys Roman »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« geschaffene Kreatur gilt vielfach als berühmteste Horrorfigur der Literaturgeschichte und das Werk in Gänze als Erstlingswerk der Science-Fiction Literatur. Dieser Roman ist verstörend, mysteriös, düster und schillernd zugleich. Er erzählt die Geschichte des jungen Schweizers Viktor Frankenstein, der an der damals berühmten Universität Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschafft. Nach Jahren des Experimentierens ist es dem ehrgeizigen Forscher Victor Frankenstein gelungen, aus toter Materie ein künstliches Wesen zu erschaffen. Doch das Ergebnis seiner alchemistischen Versuche erschüttert ihn bis ins Mark. Entsetzt überlässt er die Kreatur seinem Schicksal. Dessen verzweifelte Suche nach Nähe und Akzeptanz endet in Chaos und Verwüstung.
Dass die Autorin mit ihrem 1818 veröffentlichten Roman mehr im Sinn hatte als eine Gruselgeschichte zu schreiben, verdeutlicht bereits der Titel, in dem auf Prometheus verwiesen wird. Der antike Mythos hinterfragt das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf und ist damit nach wie vor absolut modern. Es geht um Fragen nach Schöpfungsmöglichkeiten, nach wissenschaftlicher und ethischer Verantwortung. Wenn man in den Text schaut, so findet man kein irres Monster, sondern es wird ein sensibles, nach Liebe suchendes Wesen geschildert, das zum Täter wird, weil es diese Liebe nicht bekommt. So überrascht die rund 200 Jahre alte Urfassung des Romans nicht durch ihre Schockeffekte, sondern vielmehr durch ihr Einfühlungsvermögen in die Seele des Monsters und durch den visionären Scharfsinn, der damals erst 19-jährigen Mary Shelley, u. a. im Hinblick auf Gentechnik und Klonversuche. Aber auch darüber hinaus eröffnen sich grundlegende gesellschaftliche Themen wie Integration, Erziehung, Gerechtigkeit oder Verantwortung. Gelesen wird aus der Urfassung von 1818 (2013 neu übersetzt von Alexander Pechmann), die aus heutiger Sicht in vielen Aspekten moderner als die überarbeitete Fassung von 1831 scheint.