Den Gedanken eines literarischen Austauschs der Generationen verfolgt das Literaturbüro OWL seit 2021 unter dem Obertitel »Meeting of Generations«. Mit Erfolg ist in diesem Rahmen auch die Lesungs- und Gesprächsreihe »DoubleTrouble: Autor*innen lesen über den Tellerrand der Generationen!« initiiert worden.

Unter dem Titel »DoubleTrouble: Kultur(en) und Gesellschaft!« lesen Renan Demirkan und ihre Tochter Ayshe Gallé Texte, die eine Verbindung zum generationenübergreifenden Thema Kultur(en) und Gesellschaft aufweisen. Dieses Familientreffen der besonderen Art verspricht einen äußerst spannenden Abend, da sich Mutter und Tochter ohnehin im permanenten Austausch darüber befinden, wie sich Gesellschaft im Kontext der (Multi-)Kulturen entwickelt.

In Ankara geboren, kam Renan Demirkan 1962 als Siebenjährige nach Deutschland. Sie gilt als Multitalent und als eine der intensivsten deutschsprachigen Darstellerinnen. Ihr erster Roman »Schwarzer Tee mit drei Stück Zucker«, erschienen 1991 und in vier Sprachen übersetzt, stand wochenlang auf der Spiegelbestseller-Liste und ist heute zu einem Teil der Schulliteratur geworten. Renan Demirkan erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u.a. den Grimme Preis, die Goldene Kamera und das Bundesverdienstkreuz 1997 und 2018 den Demokratiepreis der SPD Rheinland-Pfalz). 2016 initiierte sie den Aufruft »Checkpoint:demokratie«, der im Mai 2017 zu einem eingetragenen Verein wurde und dessen Vorstandvorsitzende sie ist.

Ayshe Gallé (*1986 in Köln) ist Kosmopolitin, Künstlerin und hat 2020 mit »Kinder des Widerstands« eine bemerkenswerte Publikation vorgelegt, die sich explizit mit den Auswüchsen des gesellschaftlichen Lebens beschäftigt: »Wer kam eigentlich auf die absurde Idee, den Mars zu besiedeln, anstatt zu lernen, wie man Lebewesen anständig behandelt? Den Mars! Wie kommt man auf so einen Schwachsinn? Einen lebendigen Planeten gegen einen toten Planten eintauschen zu wollen, nur um nicht zuhören zu müssen, nur um sich Fehler nicht eingestehen und Kurskorrektur vornehmen zu müssen – nur um sich der Verantwortung zu entziehen! Wir müssen uns ändern! Ich freu mich drauf.«

In dieser »Wörterleuchten«-Veranstaltung begegnen sich im Haus Münsterberg der Romanautor Doron Rabinovici und die Sachbuchautorin Nina Horaczek. Ihre Bücher »Die Einstellung« (2022) und »Populismus für Anfänger« (2017) nähern sich von unterschiedlichen Seiten dem aktuellen Populismus in unserer Gesellschaft, den Demagog*innen und ihrem Wirken. Die Autor*innen sind mit Lesungen aus ihren Büchern zu erleben und im Gespräch geht es ebenso um die Inhalte wie um die Chancen und Begrenzungen der unterschiedlichen literarischen Formate.

Mit Witz, Ironie und Fabulierlust erzählt Doron Rabinovici in seinem Roman »Die Einstellung« von einer immer stärker polarisierten Gegenwart, einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft. Es geht um die Relativierung von Fakten, die Anziehungskraft des Autoritären, die Macht der Bilder. Es geht um den Kampf eines Populisten gegen einen Fotografen, der genau weiß, dass jede Aufnahme Zeugnis einer Einstellung ist: August Becker ist der Star unter den Pressefotografen, und soll im aktuellen Wahlkampf um die Kanzlerschaft den Spitzenkandidaten einer populistischen Partei, Ulli Popp, fotografieren. August Becker will den Mann hinter der Fassade von Fürsorglichkeit entlarven, seine Brutalität, seinen Zynismus. Tatsächlich gelingt ihm ein Schnappschuss, von dem er überzeugt ist, dass er den Ausgang der Wahl entscheidend beeinflussen wird – bis sich von einem Tag auf den anderen alle Gewissheiten ins Gegenteil verkehren.

Die Populist*innen scheinen in Europa unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Und die meisten agieren, als gäbe es keine Strategien gegen die rechten Volksverführer*innen. Die Journalistin Nina Horaczek und der Kommunikationsexperte Walter Ötsch zeigen in ihrem Buch »Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung« die Tricks und Täuschungsmanöver der Demagog*innen. Sie beziehen sich dabei auf die Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte und geben als fiktive Coaches Tipps, wie man ein*e erfolgreiche*r Populist*in wird. Klug und unterhaltsam werden so Strategien von Demagog*innen entschlüsselt und die Leser*innen erfahren zudem, was man selbst gegen Populist*innen tun kann. »Denn«, wie es im Vorwort heißt, »nur wer versteht, wie Volksverführung funktioniert, ist immun gegen das Gift, das die Verführer versprühen.«

04. August 2022

DoubleTrouble: Kunst!

Die beteiligten Autor*innen der Reihe »DoubleTrouble« lesen über den Tellerrand der Generationen. Nora Gomringer und Meral Zigeler sind zu Gast bei der durch den künstlerischen Leiter des Literaturbüros OWL, Karsten Strack, moderierten Lesungs- und Gesprächsreihe. Thematisch geht es an diesem Abend in Texten und Gespräch um nichts Geringeres als die Kunst.

Nora-Eugenie Gomringer (Bamberg) leitet seit 2010 das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg als Direktorin im Auftrag des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Zahlreiche Aufträge, Aufenthaltsstipendien und Lehraufträge, auch im Namen des Goethe Instituts und der Pro Helvetia, haben sie als Autorin, Dozentin und Performerin rund um den Globus geführt. Bisher hat sie neun Lyrik- und zwei Essaybände veröffentlicht. Vielfältige Formen der Zusammenarbeit mit Musiker*innen und Bildenden Künstler*innen runden ihr Werk ab und erweitern es beständig. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen für ihre Arbeit erhalten: u.a. den Förderpreis des Freistaates Bayern, den E.ON Kulturpreis, den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache, den Joachim-Ringelnatz-Preis, die Europa-Medaille des Freistaats Bayern sowie den Ingeborg-Bachmann-Preis.

Meral Ziegler (Düsseldorf) schreibt für die Bühne, fürs Fernsehen, für sich selbst. Ziegler ist als freie Autorin, Kunstwissenschaftlerin und Spoken-Word-Künstlerin tätig, ihr Schreiben und ihre Performances wurden mit Stipendien und Preisen ausgezeichnet. Ziegler arbeitete bereits für diverse namhafte Institutionen, Stiftungen und Verbände, u.a. die Goethe Institute Luxemburg und Paris. 2017 verlieh ihr die Stadt Konstanz den Literaturförderpreis »Junge Kunst«. Seit diesem Jahr ist sie Redakteurin und Moderatorin der Züricher Literaturtalk-Reihe »Wortfetzen«. Im April veröffentlicht der WDR die erste Folge der TV-Show »Clinch«, die sie als Redakteurin, Autorin und Künstlerin gestaltet. Ziegler ist zudem als studierte Kunstwissenschaftlerin und freie Autorin für unterschiedliche renommierte Museen und Sammlungen tätig, wie die Julia Stoschek Collection, KAI10 Arthena Foundation oder das Museum Kunstpalast. Sie beendet derzeit ihren M.A. der Kunstvermittlung und des Kulturmanagements in Düsseldorf.

Im Rahmen der Herforder Erlebnistage liest der Autor Sascha Thamm aus seinem aktuellen Buch »Wildwasser-Rafting im Nichtschwimmerbecken«.

Sascha Thamm widmet sich in seinen Kurzgeschichten den großen Themen des Weltgeschehens. Es geht unter anderem um piepsende Rauchmelder, das sehnsüchtige Warten auf eine Draisine und natürlich um lässig schlendernde Kraniche. Aber auch mit seinen lyrischen Juwelen fliegt er zielsicher unter dem Radar der Hochkultur.

»Was kann schöner sein als das imaginäre Bild von Godzilla, der Mariah Carey mit einem Feuerstoß abfackelt? Dieses Buch von Sascha Thamm. Man will es fest an sich pressen und nie wieder loslassen. Saschas Humor ist wie ein Golden Retriever mit Silikonbrüsten. Äußerst ungewöhnlich … aber irgendwie geil.« (Martin Fromme)

Die Herforder Erlebnistage sind eine Reihe der Pro Herford GmbH. Die Lesung ist eine Kooperation mit dem Literaturbüro OWL. Die Veranstaltung ist kostenlos, um eine Anmeldung wird gebeten. Nähere Informationen gibt es hier.


HEIMAT – eine Emotion oder ein Ort? Eine Realität oder ein Ideal? Diesen und zahlreichen anderen Fragen ist das Projekt »Experiment HEIMAT« des Westfälischen Literaturbüros in Unna nachgegangen. Im Zeitraum von 2021 bis 2022 setzten sich renommierte Autor*innen und Fotograf*innen künstlerisch mit acht bereits als HEIMAT etablierten Räumen oder aus bestimmter Perspektive »heimatlich« konnotierten Orten in Westfalen auseinander. Einer dieser HEIMAT-Orte war das Hermannsdenkmal in Detmold.

Der Autor Wladimir Kaminer und die Fotograf*innen Ute Mahler und Werner Mahler waren 2021 für einen Rechercheaufenthalt in Detmold unterwegs. In Begegnungen und im Austausch mit den hier lebenden Menschen näherte sich das Trio dem Wahrzeichen Lippes mit Stift und Kamera. Im Anschluss an ihre Recherchereisen setzten die an »Experiment HEIMAT« beteiligten Autor*innen und Fotograf*innen ihre Eindrücke künstlerisch um. Es entstanden literarische Texte und Fotoserien zu den HEIMAT-Orten, die in einem Text-Foto-Band veröffentlicht und in einer Wanderausstellung aufbereitet wurden, die 2022 an die HEIMAT-Orte zurückkehrt.

Die Ausstellungseröffnung in Detmold findet im Lippischen Landesmuseum Detmold statt. Im Rahmen einer Vernissage werden Wladimir Kaminer, Ute Mahler und Werner Mahler ihre in Detmold entstandenen Texte und Fotos präsentieren.

»Mein Herz ist grün vor Wald«, schrieb einst der Heimatdichter Christian Dietrich Grabbe – geboren und gestorben in Detmold – über die Region seiner Heimat. Die Fotografien von Ute Mahler und Werner Mahler aus dem Teutoburger Wald erinnern an das »grüne Herz«. Nicht, weil die Fotografien farblich grün sind, es sind Schwarzweißfotografien, sondern, weil sie das Üppige des Waldes genauso wie seine Fragilität zeigen. Der Autor Wladimir Kaminer beschäftigt sich in seinem Text »Hermann« mit dem Prozess der »Hermannisierung« der Russlanddeutschen, die in ihre historische Heimat zurückkehren, bevorzugt in die Nähe des Hermannsdenkmals, damit das Eintauchen in die deutsche Sprache und Kultur angeblich schneller verläuft – so las er mal in einer russischen Zeitung. Ein Experiment am eigenen Leib wird durchgeführt. Er beobachtet, wie Heimaten entstehen und mit einer präzisen Genauigkeit und mit einem humorvollen Blick das Volk sowie das Hermannsdenkmal: »Ein wenig erinnerte er (Hermann) mich an die Freiheitsstatue in New York, nur, dass Hermann einen komischen Helm mit Öhrchen statt eines Kranzes auf dem Kopf trägt und ein Schwert statt einer Fackel in der Hand hält.« (Wladimir Kaminer)

Die Ausstellung wird vom 19. November bis zum 11. Dezember im Lippischen Landesmuseum Detmold zu sehen sein.

Details zu den anderen HEIMAT-Orten, den weiteren Künstler*innen und dem Text-Foto-Band sowie der Wanderaustellung, die die literarischen und fotografischen Ergebnisse präsentieren, sind auf der Webseite zum Projekt »Experiment HEIMAT« zu finden.

12. Juli 2022

Dorfgeschichten

Die Schauspielerin Annette Frier liest aus dem Künstlerroman »Das Gänsemännchen« von Jakob Wassermann. Einer der populärsten Erzähler seiner Zeit (1873-1934) und heute ein zu Unrecht vergessener jüdischer Autor, schreibt die Lebensgeschichte eines Nürnberger Komponisten. Es sind Stationen einer Lebensgeschichte, die Wassermann kennt: Ankommen, Assimilation, Kunst, Anerkennung, Scheitern.

Der Künstler Daniel Nothafft steht zwischen zwei Frauen: der spröden Gertrud und der lebenslustigen Leonore. Er heiratet Gertrud und liebt Leonore. Dem Komponisten zuliebe führen sie eine Ehe zu dritt. Das unglückselige Dreiecksverhältnis wird zum Skandal und Daniel zum Gespött der Stadt. Das Dasein eines Komponisten muss er sich hart erarbeiten. Ein Mann, der verzweifelt versucht, die höchsten Gipfel der Kunst zu erklimmen, ein romantisches Musikideal erstrebt und sich geradewegs in den Verlust seines kompositorischen Lebenswerkes verläuft.

Der Roman ist ein Plädoyer für das Ankommen und Scheitern zugleich, für das pathologische Streben eines Traumes und für die Unvereinbarkeit von Zugehörigkeiten. Wassermann selbst kämpft für ein anerkennendes Ankommen in seinem Leben und endet letztendlich mit der Diagnose der Unvereinbarkeit des Deutschen mit dem Juden. Die Romanfigur Daniel scheitert an dem Druck der Gesellschaft, die ihn auf einen Irrweg führen lässt.

Mit dem Titel »Das Gänsemännchen« erinnert Wassermann an eine Nürnberger Bronzeskulptur, die einen Bauer zeigt, der zwei Gänse unter dem Arm hält, die er auf dem Markt verkaufen möchte. Die Gänse aber, die ihr Schicksal ahnten, begannen so laut zu schnattern, dass der Bauer nach Hause zurückkehren musste. Sicher eine Erinnerung an die unglückselige Dreiecksbeziehung der Romanfigur, aber auch eine Erinnerung an den Versuch zu leben und dabei zu scheitern.

21. Juni 2022

MACHT(ge)HABE

Autoritäre Herrscher sind in erschreckend vielen Ländern immer noch und wieder an der Macht. Auch unter dem Deckmantel der Demokratie führen sie ein nahezu despotisches Regime nach ihren ganz eigenen Gesetzen. Kritische Stimmen werden – häufig mit allen Mitteln – zum Schweigen gebracht; die Repressionen treffen natürlich auch die Schriftsteller*innen.

Die Schauspieler*innen Felix Klare und Gabrielle Pietermann lesen Texte von Autor*innen aus Belarus, der Türkei und Kenia, die ihre Stimmen aus dem Exil heraus erheben, das Erlebte dokumentieren und zu Literatur formen. Die Lesungen werden von Harfenmusik umrahmt und akzentuiert. Mirjam Schröder interpretiert die gelesenen Texte mit den vielseitigen musikalischen Möglichkeiten der Harfe; die Sehnsucht nach Frieden, nach Freiheit und Harmonie wird ebenso hörbar wie Unterdrückung, Gewalt und Zerrissenheit.

In Sasha Filipenkos Roman »Der ehemalige Sohn« verunfallt der junge Franzisk auf dem Weg zu einem Rockkonzert und fällt ins Koma. Erst nach einem Jahrzehnt öffnet er wieder die Augen und erwacht in einem Land, das in der Zeit eingefroren scheint: Immer noch ist ein autoritärer Präsident an der Macht, die jungen Leute verlassen das Land und jeder Protest wird sogleich erstickt. Filipenko lässt in seinen Text reale Ereignisse und Gepflogenheiten aus Belarus einfließen, so dass mit »Der ehemalige Sohn« ein hellsichtiges, belarussisches Gesellschaftsporträt des 21. Jahrhunderts entstanden ist.

Im Nachhinein wirkt Aslı Erdoğans »Haus aus Stein« über das berüchtigte Folterzentrum Sansaryan Han prophetisch, denn nur wenige Jahre nach der Veröffentlichung wurde die Autorin aus politischen Gründen verhaftet und über Monate im Gefängnis festgehalten. »Haus aus Stein« ist ein symphonisch komponierter Roman über Gefangenschaft und den Verlust aller Sicherheiten. Ein Bewältigungsversuch einer Überwältigten, das Zeugnis der Begegnung mit willkürlicher Gewalt, brutaler Einsamkeit und radikaler Verlorenheit.

Der kenianische Schriftsteller Ngũgĩ wa Thiong’o zählt zu den wichtigsten Erzählern Afrikas. »Herr der Krähen« ist eine Satire auf den Prototypen des afrikanischen Despoten. Der Roman spielt in der fiktiven Freien Republik Aburiria, deren Herrscher von einer mysteriösen Krankheit überrascht wird: er bläht sich wie ein Ballon auf und hängt seither unter der Zimmerdecke. Kein Arzt kann ihm helfen, nur der ›Herr der Krähen‹. »Herr der Krähen« ist ein universeller Diktatorenroman, der sich, geschrieben in der Tradition des mündlichen Erzählens, trotz des schweren Themas durch seine erstaunliche Leichtigkeit auszeichnet.

31. Mai 2022

MACHT(ge)HABE

Autoritäre Herrscher sind in erschreckend vielen Ländern immer noch und wieder an der Macht. Auch unter dem Deckmantel der Demokratie führen sie ein nahezu despotisches Regime nach ihren ganz eigenen Gesetzen. Kritische Stimmen werden – häufig mit allen Mitteln – zum Schweigen gebracht; die Repressionen treffen natürlich auch die Schriftsteller*innen.

Die Schauspieler*innen Felix Klare und Gabrielle Pietermann lesen Texte von Autor*innen aus Belarus, der Türkei und Kenia, die ihre Stimmen aus dem Exil heraus erheben, das Erlebte dokumentieren und zu Literatur formen. Die Lesungen werden von Harfenmusik umrahmt und akzentuiert. Helene Schütz interpretiert die gelesenen Texte mit den vielseitigen musikalischen Möglichkeiten der Harfe; die Sehnsucht nach Frieden, nach Freiheit und Harmonie wird ebenso hörbar wie Unterdrückung, Gewalt und Zerrissenheit.

In Sasha Filipenkos Roman »Der ehemalige Sohn« verunfallt der junge Franzisk auf dem Weg zu einem Rockkonzert und fällt ins Koma. Erst nach einem Jahrzehnt öffnet er wieder die Augen und erwacht in einem Land, das in der Zeit eingefroren scheint: Immer noch ist ein autoritärer Präsident an der Macht, die jungen Leute verlassen das Land und jeder Protest wird sogleich erstickt. Filipenko lässt in seinen Text reale Ereignisse und Gepflogenheiten aus Belarus einfließen, so dass mit »Der ehemalige Sohn« ein hellsichtiges, belarussisches Gesellschaftsporträt des 21. Jahrhunderts entstanden ist.

Im Nachhinein wirkt Aslı Erdoğans »Haus aus Stein« über das berüchtigte Folterzentrum Sansaryan Han prophetisch, denn nur wenige Jahre nach der Veröffentlichung wurde die Autorin aus politischen Gründen verhaftet und über Monate im Gefängnis festgehalten. »Haus aus Stein« ist ein symphonisch komponierter Roman über Gefangenschaft und den Verlust aller Sicherheiten. Ein Bewältigungsversuch einer Überwältigten, das Zeugnis der Begegnung mit willkürlicher Gewalt, brutaler Einsamkeit und radikaler Verlorenheit.

Der kenianische Schriftsteller Ngũgĩ wa Thiong’o zählt zu den wichtigsten Erzählern Afrikas. »Herr der Krähen« ist eine Satire auf den Prototypen des afrikanischen Despoten. Der Roman spielt in der fiktiven Freien Republik Aburiria, deren Herrscher von einer mysteriösen Krankheit überrascht wird: er bläht sich wie ein Ballon auf und hängt seither unter der Zimmerdecke. Kein Arzt kann ihm helfen, nur der ›Herr der Krähen‹. »Herr der Krähen« ist ein universeller Diktatorenroman, der sich, geschrieben in der Tradition des mündlichen Erzählens, trotz des schweren Themas durch seine erstaunliche Leichtigkeit auszeichnet.

»Text auf Raten« präsentiert Klassiker der (Welt)Literatur in Ostwestfalen-Lippe. Lesungen aus großen literarischen Werken werden mit zeitgenössischen Rezeptionen auf die Bühne gebracht. In diesem Jahr steht Mary Shelleys »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« im Fokus.

Rate plus: Poetry Clip

Die »Rate plus« fügt den vielen Interpretationen der Geschichte rund um Victor Frankenstein und das von ihm geschaffene Wesen eine individuelle Rezeption des Literaturbüros OWL hinzu: Das Autor*innen-Duo Rike Sauer und Hellmuth Opitz schreiben gemeinsam einen Text, der durch das Frankenstein-Motiv inspiriert ist. Man darf gespannt sein, welche literarische Form ihnen geeignet scheint, sich dem sensiblen Monster zu nähern. Der fertige Text wird durch die Gestalterin Cendra Polsner audiovisuell umgesetzt und somit künstlerisch weiterentwickelt.

Der Poetry Clip wird erstmalig im Rahmen der Text auf Raten-Veranstaltung im Die Birke Filmtheater am 19. Oktober 2022 präsentiert, sowie bei allen anderen Abenden der Reihe ausgespielt. Der Clip wird ab dem 20. Oktober 2022 zudem auf dem Youtube und Instagram-Kanal des Literaturbüros OWL zu sehen sein.

Rate 1: Text und Film

19. Oktober 2022, Die Birke Filmtheater, Minden

Rate 2: Text und Musik

20. Oktober 2022, Buchhandlung Kafka, Detmold

Rate 3: Text und Tanz

25. Oktober 2022, Buchladen Auslese, Herford

Rate 4: Text und Comic

26. Oktober 2022, Buchhandlung LESBAR, Beverungen

»Frankenstein oder Der moderne Prometheus« in OWL

An vier aufeinanderfolgenden Abenden wird an vier unterschiedlichen Orten »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« von Künstler*innen vielfältig interpretiert. Fast jede*r hat von Frankenstein gehört oder gesehen, da die Geschichte der geschaffenen Kreatur vielfach rezipiert wurde. Vom Kino über Tanz bis zum Comic. Wie haben die anderen Künste das Frankenstein-Motiv aufgenommen und weiterverarbeitet? Wie haben sie dazu beigetragen, dass ein gemeinhin verzerrtes Bild des im Roman entwickelten Originals entstanden ist? Eine Annäherung an das Zusammenspiel von Text und der Rezeption in den anderen Künsten liefern die vier Veranstaltungstage und die digitale Rate. Als roter Faden ziehen sich die Lesungen aus dem Originaltext durch die Veranstaltungsreihe, sie korrespondieren mit Musik, Film, Tanz oder Comic-Rezeptionen. Natürlich kann »Text auf Raten« den umfangreichen Text nicht in Gänze zu Gehör bringen, ausgewählte Sequen­zen vermitteln jedoch unterschiedliche Perspektiven des Werkes, so dass ein leichtfüßiger Gesamteindruck entsteht.

Die in Mary Shelleys Roman »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« geschaffene Kreatur gilt vielfach als berühmteste Horrorfigur der Literaturgeschichte und das Werk in Gänze als Erstlingswerk der Science-Fiction Literatur. Dieser Roman ist verstörend, mysteriös, düster und schillernd zugleich. Er erzählt die Geschichte des jungen Schweizers Viktor Frankenstein, der an der damals berühmten Universität Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschafft. Nach Jahren des Experimentierens ist es dem ehrgeizigen Forscher Victor Frankenstein gelungen, aus toter Materie ein künstliches Wesen zu erschaffen. Doch das Ergebnis seiner alchemistischen Versuche erschüttert ihn bis ins Mark. Entsetzt überlässt er die Kreatur seinem Schicksal. Dessen verzweifelte Suche nach Nähe und Akzeptanz endet in Chaos und Verwüstung.

Dass die Autorin mit ihrem 1818 veröffentlichten Roman mehr im Sinn hatte als eine Gruselgeschichte zu schreiben, verdeutlicht bereits der Titel, in dem auf Prometheus verwiesen wird. Der antike Mythos hinterfragt das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf und ist damit nach wie vor absolut modern. Es geht um Fragen nach Schöpfungsmöglichkeiten, nach wissenschaftlicher und ethischer Verantwortung. Wenn man in den Text schaut, so findet man kein irres Monster, sondern es wird ein sensibles, nach Liebe suchendes Wesen geschildert, das zum Täter wird, weil es diese Liebe nicht bekommt. So überrascht die rund 200 Jahre alte Urfassung des Romans nicht durch ihre Schockeffekte, sondern vielmehr durch ihr Einfühlungsvermögen in die Seele des Monsters und durch den visionären Scharfsinn, der damals erst 19-jährigen Mary Shelley, u. a. im Hinblick auf Gentechnik und Klonversuche. Aber auch darüber hinaus eröffnen sich grundlegende gesellschaftliche Themen wie Integration, Erziehung, Gerechtigkeit oder Verantwortung. Gelesen wird aus der Urfassung von 1818 (2013 neu übersetzt von Alexander Pechmann), die aus heutiger Sicht in vielen Aspekten moderner als die überarbeitete Fassung von 1831 scheint.

»Text auf Raten« präsentiert Klassiker der (Welt)Literatur in Ostwestfalen-Lippe. Lesungen aus großen literarischen Werken werden mit zeitgenössischen Rezeptionen auf die Bühne gebracht. In diesem Jahr steht Mary Shelleys »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« im Fokus.

Rate 4: Text+Comic

Das Frankenstein-Thema war und ist Ausgangspunkt vieler Comics. Insbesondere im englischsprachigen Raum ist die Zahl der Veröffentlichungen groß. In Deutschland hatte vor allem eine Frankenstein-Reihe von Marvel Comics in den 1970er Jahren großen Erfolg, die eng am Roman beginnt und das geschaffene Wesen durch erzählerische Tricks bis in die Gegenwart transportiert oder auch andere Monster der Literaturgeschichte treffen lässt. Wie präsent Frankenstein immer noch ist, zeigt sich daran, dass Ralf König, einer der bekanntesten deutschen humoristischen Comiczeichner, im Oktober 2020 eine neue gezeichnete Interpretation der Frankenstein Geschichte herausgegeben hat.

In der vierten und letzten Rate ist das Finale der Geschichte um Victor Frankenstein und das von ihm erschaffene Monster zu hören und in Comic-Strips zu sehen – und auch, wie es vielleicht noch weitergehen könnte. Die Schauspielerin Gesa Köhler liest Auszüge aus dem Ende des Romans (das, was zuvor geschehen ist, wird den Besucher*innen in einer kurzen Zusammenfassung erzählt).

Der Schauspieler Jonas Baeck und der Musiker Dominik Merscheid präsentieren korrelierend die Comic-Interpretationen von Marvel und Ralf König. Die von Dominik Merscheid inszenierten Klänge und Geräusche intensivieren die Stimmen, die Jonas Baeck den gezeichneten Figuren verleiht.

Rate 1: Text und Film

19. Oktober 2022, Die Birke Filmtheater, Minden

Rate 2: Text und Musik

20. Oktober 2022, Buchhandlung Kafka, Detmold

Rate 3: Text und Tanz

25. Oktober 2022, Buchladen Auslese, Herford

Rate plus: Poetry Clip

»Frankenstein oder Der moderne Prometheus« in OWL

An vier aufeinanderfolgenden Abenden wird an vier unterschiedlichen Orten »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« von Künstler*innen vielfältig interpretiert. Fast jede*r hat von Frankenstein gehört oder gesehen, da die Geschichte der geschaffenen Kreatur vielfach rezipiert wurde. Vom Kino über Tanz bis zum Comic. Wie haben die anderen Künste das Frankenstein-Motiv aufgenommen und weiterverarbeitet? Wie haben sie dazu beigetragen, dass ein gemeinhin verzerrtes Bild des im Roman entwickelten Originals entstanden ist? Eine Annäherung an das Zusammenspiel von Text und der Rezeption in den anderen Künsten liefern die vier Veranstaltungstage und die digitale Rate. Als roter Faden ziehen sich die Lesungen aus dem Originaltext durch die Veranstaltungsreihe, sie korrespondieren mit Musik, Film, Tanz oder Comic-Rezeptionen. Natürlich kann »Text auf Raten« den umfangreichen Text nicht in Gänze zu Gehör bringen, ausgewählte Sequen­zen vermitteln jedoch unterschiedliche Perspektiven des Werkes, so dass ein leichtfüßiger Gesamteindruck entsteht.

Die in Mary Shelleys Roman »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« geschaffene Kreatur gilt vielfach als berühmteste Horrorfigur der Literaturgeschichte und das Werk in Gänze als Erstlingswerk der Science-Fiction Literatur. Dieser Roman ist verstörend, mysteriös, düster und schillernd zugleich. Er erzählt die Geschichte des jungen Schweizers Viktor Frankenstein, der an der damals berühmten Universität Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschafft. Nach Jahren des Experimentierens ist es dem ehrgeizigen Forscher Victor Frankenstein gelungen, aus toter Materie ein künstliches Wesen zu erschaffen. Doch das Ergebnis seiner alchemistischen Versuche erschüttert ihn bis ins Mark. Entsetzt überlässt er die Kreatur seinem Schicksal. Dessen verzweifelte Suche nach Nähe und Akzeptanz endet in Chaos und Verwüstung.

Dass die Autorin mit ihrem 1818 veröffentlichten Roman mehr im Sinn hatte als eine Gruselgeschichte zu schreiben, verdeutlicht bereits der Titel, in dem auf Prometheus verwiesen wird. Der antike Mythos hinterfragt das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf und ist damit nach wie vor absolut modern. Es geht um Fragen nach Schöpfungsmöglichkeiten, nach wissenschaftlicher und ethischer Verantwortung. Wenn man in den Text schaut, so findet man kein irres Monster, sondern es wird ein sensibles, nach Liebe suchendes Wesen geschildert, das zum Täter wird, weil es diese Liebe nicht bekommt. So überrascht die rund 200 Jahre alte Urfassung des Romans nicht durch ihre Schockeffekte, sondern vielmehr durch ihr Einfühlungsvermögen in die Seele des Monsters und durch den visionären Scharfsinn, der damals erst 19-jährigen Mary Shelley, u. a. im Hinblick auf Gentechnik und Klonversuche. Aber auch darüber hinaus eröffnen sich grundlegende gesellschaftliche Themen wie Integration, Erziehung, Gerechtigkeit oder Verantwortung. Gelesen wird aus der Urfassung von 1818 (2013 neu übersetzt von Alexander Pechmann), die aus heutiger Sicht in vielen Aspekten moderner als die überarbeitete Fassung von 1831 scheint.

»Text auf Raten« präsentiert Klassiker der (Welt)Literatur in Ostwestfalen-Lippe. Lesungen aus großen literarischen Werken werden mit zeitgenössischen Rezeptionen auf die Bühne gebracht. In diesem Jahr steht Mary Shelleys »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« im Fokus.

Rate 3: Text+Tanz

Das Monster dreht und windet sich. Bewahrt Ausdruck. Es springt, plötzlich eine Pirouette. Das Monster tanzt. Einer der größten Ballettkompanien der Welt »The Royal Ballet« hat 2016 unter der Leitung des Choreographen Liam Scarlett den Medizinstudenten Victor Frankenstein und sein erschaffenes Monster in drei Akten zum Tanzen erweckt.

In der dritten Rate steht die Begegnung zwischen Schöpfer und Geschöpf im Fokus. Das Monster fühlt sich von der Gesellschaft missverstanden und ausgegrenzt, es wünscht sich eine Gefährtin. Victor Frankenstein gerät erneut in den Wahnsinn des Schaffens. Der Schauspieler und Sprecher Tom Jacobs liest Auszüge aus Mary Shelleys »Frankenstein oder Der moderne Prometheus«.

Die ehemalige Pina Bausch-Tänzerin Anna Wehsarg interpretiert die Zerrissenheit Frankensteins, die Einsamkeit des Monsters, den Wunsch nach Nähe und den unüberlegten Eifer des Schaffens tänzerisch. Die Bedeutung der Worte, der Geschichte, sind Ideengeber ihres zeitgenössischen und modernen Tanzes. Anna Wehsarg wird musikalisch vom Komponist und Pianist Markus Stollenwerk begleitet. Gemeinsam erzählen sie ihre ganz eigene Interpretation des »Frankensteins«.

Rate 1: Text und Film

19. Oktober 2022, Die Birke Filmtheater, Minden

Rate 2: Text und Musik

20. Oktober 2022, Buchhandlung Kafka, Detmold

Rate 4: Text und Comic

26. Oktober 2022, Buchhandlung LESBAR, Beverungen

Rate plus: Poetry Clip

»Frankenstein oder Der moderne Prometheus« in OWL

An vier aufeinanderfolgenden Abenden wird an vier unterschiedlichen Orten »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« von Künstler*innen vielfältig interpretiert. Fast jede*r hat von Frankenstein gehört oder gesehen, da die Geschichte der geschaffenen Kreatur vielfach rezipiert wurde. Vom Kino über Tanz bis zum Comic. Wie haben die anderen Künste das Frankenstein-Motiv aufgenommen und weiterverarbeitet? Wie haben sie dazu beigetragen, dass ein gemeinhin verzerrtes Bild des im Roman entwickelten Originals entstanden ist? Eine Annäherung an das Zusammenspiel von Text und der Rezeption in den anderen Künsten liefern die vier Veranstaltungstage und die digitale Rate. Als roter Faden ziehen sich die Lesungen aus dem Originaltext durch die Veranstaltungsreihe, sie korrespondieren mit Musik, Film, Tanz oder Comic-Rezeptionen. Natürlich kann »Text auf Raten« den umfangreichen Text nicht in Gänze zu Gehör bringen, ausgewählte Sequen­zen vermitteln jedoch unterschiedliche Perspektiven des Werkes, so dass ein leichtfüßiger Gesamteindruck entsteht.

Die in Mary Shelleys Roman »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« geschaffene Kreatur gilt vielfach als berühmteste Horrorfigur der Literaturgeschichte und das Werk in Gänze als Erstlingswerk der Science-Fiction Literatur. Dieser Roman ist verstörend, mysteriös, düster und schillernd zugleich. Er erzählt die Geschichte des jungen Schweizers Viktor Frankenstein, der an der damals berühmten Universität Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschafft. Nach Jahren des Experimentierens ist es dem ehrgeizigen Forscher Victor Frankenstein gelungen, aus toter Materie ein künstliches Wesen zu erschaffen. Doch das Ergebnis seiner alchemistischen Versuche erschüttert ihn bis ins Mark. Entsetzt überlässt er die Kreatur seinem Schicksal. Dessen verzweifelte Suche nach Nähe und Akzeptanz endet in Chaos und Verwüstung.

Dass die Autorin mit ihrem 1818 veröffentlichten Roman mehr im Sinn hatte als eine Gruselgeschichte zu schreiben, verdeutlicht bereits der Titel, in dem auf Prometheus verwiesen wird. Der antike Mythos hinterfragt das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf und ist damit nach wie vor absolut modern. Es geht um Fragen nach Schöpfungsmöglichkeiten, nach wissenschaftlicher und ethischer Verantwortung. Wenn man in den Text schaut, so findet man kein irres Monster, sondern es wird ein sensibles, nach Liebe suchendes Wesen geschildert, das zum Täter wird, weil es diese Liebe nicht bekommt. So überrascht die rund 200 Jahre alte Urfassung des Romans nicht durch ihre Schockeffekte, sondern vielmehr durch ihr Einfühlungsvermögen in die Seele des Monsters und durch den visionären Scharfsinn, der damals erst 19-jährigen Mary Shelley, u. a. im Hinblick auf Gentechnik und Klonversuche. Aber auch darüber hinaus eröffnen sich grundlegende gesellschaftliche Themen wie Integration, Erziehung, Gerechtigkeit oder Verantwortung. Gelesen wird aus der Urfassung von 1818 (2013 neu übersetzt von Alexander Pechmann), die aus heutiger Sicht in vielen Aspekten moderner als die überarbeitete Fassung von 1831 scheint.

»Text auf Raten« präsentiert Klassiker der (Welt)Literatur in Ostwestfalen-Lippe. Lesungen aus großen literarischen Werken werden mit zeitgenössischen Rezeptionen auf die Bühne gebracht. In diesem Jahr steht Mary Shelleys »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« im Fokus.

Rate 2: Text+Musik

Da ist Musik drin, in der künstlerischen Annäherung an den Klassiker »Frankenstein«. Der Roman hat Anlass zu verschiedenen Operninszenierungen gegeben, u. a. von Jan Dvořák (Uraufführung in Hamburg, 2018) oder auch von Mark Grey (Uraufführung in Brüssel, 2019). Aber nicht nur das: Das gesamte 20. Jahrhundert hindurch wurden vielfältigste Songs, Melodien und Interpretationen auf den musikalischen Markt gebracht, die sich auf die Geschichte des einsamen, grauenhaften Monsters beziehen. Von Jazz über Pop bis hin zu Rock. Anders gesagt: Es gibt nichts, was es nicht zu hören gibt.

In der zweiten Rate steht der Seelenschmerz im Fokus. Victor Frankenstein verspürt Reue gegenüber dem, was er erschaffen hat und Angst gegenüber dem, was noch kommen wird. Das Monster hingegen fühlt sich ausgegrenzt und verlassen. Der DJ Henrik Frevert übersetzt diesen Seelenschmerz in melodische Klänge – mal laut, mal leise, mal sichtbar, mal versteckt.

Der Bariton Andreas Elias Post wird eine Arie aus der Oper »Frankenstein« des kanadischen Komponisten Andrew Agers singen und damit dem erschaffenen Monster Stimme verleihen.

Die Schauspielerin Natascha Mamier liest Auszüge aus Mary Shelleys »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« und schafft damit einen inhaltichen Bogen zwischen Stimme und musikalischen Klängen.

Rate 1: Text und Film

19. Oktober 2022, Die Birke Filmtheater, Minden

Rate 3: Text und Tanz

25. Oktober 2022, Buchladen Auslese, Herford

Rate 4: Text und Comic

26. Oktober 2022, Buchhandlung LESBAR, Beverungen

Rate plus: Poetry Clip

»Frankenstein oder Der moderne Prometheus« in OWL

An vier aufeinanderfolgenden Abenden wird an vier unterschiedlichen Orten »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« von Künstler*innen vielfältig interpretiert. Fast jede*r hat von Frankenstein gehört oder gesehen, da die Geschichte der geschaffenen Kreatur vielfach rezipiert wurde. Vom Kino über Tanz bis zum Comic. Wie haben die anderen Künste das Frankenstein-Motiv aufgenommen und weiterverarbeitet? Wie haben sie dazu beigetragen, dass ein gemeinhin verzerrtes Bild des im Roman entwickelten Originals entstanden ist? Eine Annäherung an das Zusammenspiel von Text und der Rezeption in den anderen Künsten liefern die vier Veranstaltungstage und die digitale Rate. Als roter Faden ziehen sich die Lesungen aus dem Originaltext durch die Veranstaltungsreihe, sie korrespondieren mit Musik, Film, Tanz oder Comic-Rezeptionen. Natürlich kann »Text auf Raten« den umfangreichen Text nicht in Gänze zu Gehör bringen, ausgewählte Sequen­zen vermitteln jedoch unterschiedliche Perspektiven des Werkes, so dass ein leichtfüßiger Gesamteindruck entsteht.

Die in Mary Shelleys Roman »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« geschaffene Kreatur gilt vielfach als berühmteste Horrorfigur der Literaturgeschichte und das Werk in Gänze als Erstlingswerk der Science-Fiction Literatur. Dieser Roman ist verstörend, mysteriös, düster und schillernd zugleich. Er erzählt die Geschichte des jungen Schweizers Viktor Frankenstein, der an der damals berühmten Universität Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschafft. Nach Jahren des Experimentierens ist es dem ehrgeizigen Forscher Victor Frankenstein gelungen, aus toter Materie ein künstliches Wesen zu erschaffen. Doch das Ergebnis seiner alchemistischen Versuche erschüttert ihn bis ins Mark. Entsetzt überlässt er die Kreatur seinem Schicksal. Dessen verzweifelte Suche nach Nähe und Akzeptanz endet in Chaos und Verwüstung.

Dass die Autorin mit ihrem 1818 veröffentlichten Roman mehr im Sinn hatte als eine Gruselgeschichte zu schreiben, verdeutlicht bereits der Titel, in dem auf Prometheus verwiesen wird. Der antike Mythos hinterfragt das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf und ist damit nach wie vor absolut modern. Es geht um Fragen nach Schöpfungsmöglichkeiten, nach wissenschaftlicher und ethischer Verantwortung. Wenn man in den Text schaut, so findet man kein irres Monster, sondern es wird ein sensibles, nach Liebe suchendes Wesen geschildert, das zum Täter wird, weil es diese Liebe nicht bekommt. So überrascht die rund 200 Jahre alte Urfassung des Romans nicht durch ihre Schockeffekte, sondern vielmehr durch ihr Einfühlungsvermögen in die Seele des Monsters und durch den visionären Scharfsinn, der damals erst 19-jährigen Mary Shelley, u. a. im Hinblick auf Gentechnik und Klonversuche. Aber auch darüber hinaus eröffnen sich grundlegende gesellschaftliche Themen wie Integration, Erziehung, Gerechtigkeit oder Verantwortung. Gelesen wird aus der Urfassung von 1818 (2013 neu übersetzt von Alexander Pechmann), die aus heutiger Sicht in vielen Aspekten moderner als die überarbeitete Fassung von 1831 scheint.

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