12. August 2021

Wörterleuchten

Der Schriftsteller Saša Stanišić ist ein Verfasser leuchtender Worte, Sätze und Geschichten. Im Kaiserhof Kino liest er aus seinem 2019 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Buch »Herkunft« und verrät, was für ihn die Faszination von Wolf Haas und dessen tintenschwarzem Humor ausmacht. Der Sprecher und Schauspieler Marc Ben Puch ist mit Auszügen aus Haas’ Kriminalroman »Silentium!« zu hören.

»Herkunft« ist ein Buch über ein Dorf, in dem nur noch dreizehn Menschen leben, ein Land, das es heute nicht mehr gibt, eine zersplitterte Familie, die die von Saša Stanišić ist. Es ist ein Buch über Heimaten, in seiner Erinnerung und seiner Erfindung. Ein Buch über Sprache und Scham, Ankommen und Zurechtkommen, Glück und Tod.

»Herkunft« liest sich wie ein Streifzug durch die Erinnerung: Auf der einen Seite die früheren und heutigen Begegnungen mit der Großmutter in Bosnien, die allmählich dement wird. Auf der anderen Seite das Ankommen in Heidelberg nach der Flucht aus Višegrad, die Utopie an der Aral-Tankstelle und der schulische und universitäre Werdegang mit dem ständigen Wissen, wie fragil und oft zufällig biografische Prägungen sind. Saša Stanišić’ »Fähigkeiten liegen darin, einzelne Momente hervorzuholen und sie fast märchenhaft aufscheinen zu lassen, und es gibt dabei glänzende sprachliche Verschiebungen und poetische Verrücktheiten«, urteilt Deutschlandfunk Kultur.

Saša Stanišić ist ein großer Bewunderer des österreichischen Schriftstellers Wolf Haas. An seinen Romanen, über die er sogar seine Magisterarbeit schrieb, schätzt er insbesondere den überragenden Humor und die wunderbaren Studien bestimmter sozialer Milieus. Marc Ben Puch liest aus Wolf Haas’ mit dem Deutschen Krimi-Preis ausgezeichneten Roman »Silentium!«. Der vierte Band um den lebensklugen Wiener Privatdetektiv Brenner führt ihn in ein Salzburger Knabeninternat, wo einst im Duschkeller befriedigte und inzwischen vertuschte Lust einen ehrwürdigen Bischofskandidaten um das ersehnte hohe Amt zu bringen droht. 23 Plastiktaschen mit zerstückelten Leichenteilen gefährden gar den Ruf der Festspielstadt.

Rassismus ist nicht nur ein Problem am rechten Rand der Gesellschaft, sondern gehört für zahlreiche Menschen zum Alltag. Dennenesch Zoudé und Simon Roden lesen Erzählungen von Toni Morrison, Sharon Dodua Otoo und Nana Kwame Adjei-Brenyah und bringen drei sehr unterschiedliche Facetten von Rassismus zu Gehör. Denn es gibt sie schon lange und überall, die vielen Stimmen, die Rassismus – den offensichtlichen und den versteckten – dokumentiert und zu Literatur geformt haben.

Keine andere amerikanische Autorin hat das Thema Rassismus über die Jahrzehnte hin so konsequent und leidenschaftliche beschrieben wie die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison. In ihrer Short Story »Sweetness« schildert sie den Schock, den Sweetness bei der Geburt ihres tiefschwarzen Babys empfindet, denn Mutter und Tochter leben in einem Land und in einer Gesellschaft, in der Schattierungen einer Hautfarbe immer noch über die Zukunft eines Kindes entscheiden. Aber Lula Ann sträubt sich gegen den Gehorsam und die Unterwürfigkeit, die ihre Mutter ihr aus Angst vor rassistischen Angriffen beizubringen versucht.

Ein Seufzen, zwei abgeschreckte Eier, das Blubbern des kochenden Wassers: So beginnt Sharon Dodua Otoos Text »Herr Gröttrup setzt sich hin«, für den sie 2016 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde. Als das wie gewohnt gekochte Frühstücksei überraschenderweise nicht hart, sondern immer noch weich ist, fällt das Ehepaar Gröttrup aus allen Wolken. Was als charmante, unangestrengte Satire über deutschen Alltag und ein renitentes Frühstücksei gelesen werden kann, ist vielmehr ein Versuch der Autorin zu zeigen, welche Auswirkungen Privilegien und weißes Selbstverständnis haben.

Nana Kwame Adjei-Brenyahs gefeierte Stories stilisieren die Mechaniken rassistischen Hasses zu grotesken Dystopien. In »Die Finkelstein Five« kämpft Emmanuel gegen Traumbilder von mit einer Kettensäge enthaupteten schwarzen Kindern, während er in seinen wachen Stunden versucht, seine »Schwarzheit« auf einer Skala von eins bis zehn zu regulieren, um der täglichen Diskriminierung zu entgehen. Nana Kwame Adjei-Brenyah erzählt in schnörkelloser, direkter Sprache und mit grellen Effekten.

Der japanische Kanun-Spieler und Komponist Shingo Masuda umrahmt und akzentuiert die Lesungen. In seinem Spiel vereint der meisterhafte Instrumentalist Kenntnisse der Maqam-Musik aus der arabischen und türkischen Tradition mit Elementen aus anderen Kulturen und sucht den Dialog zwischen Wort und Ton.

Der Ex-Basketballspieler Dirk Nowitzki gehört zu den Legenden eines weltweiten Spiels. Thomas Pletzinger hat ihn über viele Jahre immer wieder getroffen und begleitet. Im Sportzentrum Maspernplatz stellt der Schriftsteller sein Buch »The Great Nowitzki« in Lesung und Gespräch vor und gibt Einblick in die Geschichte der großen und faszinierenden Karriere Nowitzkis.

Dirk Nowitzki hat Basketball grundlegend revolutioniert. Kein deutscher Sportler hat seine Sportart tiefgreifender geprägt. Als Spieler war er ein globaler Superstar, als Mensch zugleich nahbar und schwer zu fassen. Im Frühjahr 2012 reiste Thomas Pletzinger erstmals nach Dallas, um einen Text über den Sportler zu schreiben. Es folgten weitere Artikel, Reisen, Spiele und Trainingseinheiten. »Zahlreiche großartige Gesprächspartner*innen, rätselhafte Figuren und rührende Momente, Geschichten über Geschichten. Vor allem: viele gute Unterhaltungen mit Dirk Nowitzki«, erinnert sich Thomas Pletzinger.

Über einen Zeitraum von sieben Jahren wurde der Autor Teil des Nowitzki-Kosmos. In »The Great Nowitzki« beschreibt er die ungesehene Welt jenseits des Scheinwerferlichts – zwischen Flughäfen, staubigen Turnhallen und Nowitzkis Zuhause in Dallas. Und er stellt ganz persönliche Fragen: Wie fühlt es sich an, ausgepfiffen zu werden? Wie war der Tag nach der Meisterschaft? Was bedeutet ihm Geld? Wem kann er vertrauen? Wie einsam ist ein Superstar? Was beginnt, wenn die Karriere endet?

Aber er nimmt das Phänomen Nowitzki auch aus weiteren Perspektiven in den Blick und sprach mit dem direkten Umfeld, Gegnern und Mitspielern, Fans und Coaches, aber auch mit Soziolog*innen, Ökonominnen und Künstlerinnen. Entstanden ist eine brillante Nahaufnahme des außergewöhnlichen Menschen Nowitzki und zugleich eine meisterhafte literarische Reportage aus der Welt des Profisports – mitreißend, kenntnisreich und mit genauem Blick erzählt.

»All die Stunden in der Halle, all die Niederlagen und Siege, all die Geschichten und Gedanken – es braucht einen Autor wie Thomas Pletzinger, um die richtigen Worte für meine Welt und mein Spiel zu finden. Ich hätte mir keinen besseren wünschen können«, ist auch Dirk Nowitzki überzeugt.

11. August 2021

Literarische Pat*innen

Mit seinem neuen Literaturprojekt »Literarische Pat*innen« fördert das Literaturbüro OWL den generationenübergreifenden Austausch von Autor*innen in Ostwestfalen-Lippe. Jann Wattjes und Erwin Grosche (beide Paderborn), Emily Lüpken (Versmold) und Jutta Krähling sowie Rike Sauer und Hellmuth Opitz (alle Bielefeld) bilden die ersten drei Tandems, die seit Mai 2021 gemeinsame Begegnungen haben.

Hier begleiten und unterstützen jeweils die erfahrenen Autor*innen die jungen Autor*innen, die sich noch in der Frühphase des Schaffens befinden. Diese Begleitung ist allerdings nicht einseitig gedacht. Es geht vielmehr darum, eine echte Win-Win-Situation zu schaffen: Beide Schriftsteller*innen-Generation profitieren von den gegenseitigen Blickwinkeln und inspirieren sich im Idealfall wechselseitig. Und nicht nur das: Die beteiligten Autor*innen arbeiten auch an gemeinsamen Texten oder reflektieren das Werk der*s jeweils Anderen in eigenen Texten.

Auf die Ergebnisse darf das geneigte Publikum bei der großen Abschlusslesung gespannt sein. Moderiert wird die Veranstaltung von Karsten Strack, der sich als Künstlerischer Leiter des Literaturbüros OWL bereits jetzt auf diese besondere Veranstaltung freut.

In der spanischen Literatur geht es häufig um die Leidenschaft für das Essen. Unzählige Romane, Krimis, Kurzgeschichten und Gedichte thematisieren die Qualität und die Symbolik der spanischen Küche in all ihren facettenreichen regionalen Ausgestaltungen. Alle, die schon einmal in das Leben einer spanischen Region eingetaucht sind, wissen eines ganz genau: Hier wird nicht einfach nur gegessen, hier wird das Essen in all seiner Pracht gefeiert!

Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, diesen Aspekt mit einer eigenen Veranstaltung im Rahmen der diesjährigen »Literarischen Positionen in Europa« aufs Leidenschaftlichste zu würdigen.

Und damit das Ganze auch auf breiter Ebene gelingen kann, hat das Literaturbüro OWL für diesen Abend einen bunten kulturellen Mix an hochkarätigen Gästen eingeladen: So wird die Hannah-Ahrendt-Darstellerin und Ulrich-Wildgruber-Preis-Trägerin Friederike Becht ausgewählte Texte zum Thema Kulinarik in der spanischen Literatur rezitieren. Der Bogen spannt sich über Literatur aus mehreren Jahrhunderten. Vor allem die Epoche des Naturalismus bietet in dieser Hinsicht ein schier unerschöpfliches Reservoir. Im 19 Jahrhundert standen in der spanischen Literatur insbesondere die Themen Körperlichkeit und Gesellschaft auf der schriftstellerischen Agenda. Aber auch die zahlreichen kochenden Männer in Spanien werden literarisch gewürdigt. Zudem erfolgt auch ein Blick auf die moderne spanische Küche – denn dort wurde schließlich die Molekularküche begründet. Friederike Becht wendet sich sowohl lyrischen als auch erzählerischen Texten zu.

Passend dazu stellt der Fotograf und Koch Martin Steffen entsprechende Gerichte vor und bereite diese auch zum anschließenden allgemeinen Verzehr zu. Sie sind herzlich eingeladen, diese wohlschmeckenden Speisen zu verköstigen – dies ist im Eintrittspreis enthalten.

Darüber hinaus wird die international bekannte Sommerhit-Band Marquess mit extra für die Veranstaltung konzipierten Neuinterpretationen von spanischen Songs überraschen. Der Künstlerische Leiter des Literaturbüros OWL, Karsten Strack, wird diese abwechslungsreiche Veranstaltung moderieren.

Der spanische Bestsellerautor Fernando Aramburu stellt seinen neuen Roman »Reise mit Clara durch Deutschland« vor. Wie er selbst sagt, handelt es sich dabei um sein »glücklichstes Buch«.

Entstanden ist das neue Werk bereits vor dem Bestseller »Patria«. »Reise mit Clara durch Deutschland« ist ein autofiktionaler Roman, in dem ein nicht gerade vom Erfolg verwöhnter spanischer Autor seine Ehefrau Clara auf einer Recherchereise durch Deutschland begleitet. Sie soll einen Reiseführer verfassen. Er macht die Fotos dazu. Die Reise beginnt in Bremen, geht nach Goslar und Berlin. Süddeutschland ist das nächste Ziel. Doch als ihr Hund Goethe erkrankt, kommt alles anders als gedacht.

Mit viel Charme und hintergründigem Humor blickt Aramburu auf seine Wahlheimat Deutschland, auf seinen Hund und vor allem auf eine sehr selbstständige Frau, die Kerzenlicht beim Abendessen mag, alle Moden beharrlich ignoriert, dafür immer einen Plan hat, auch wenn ihm so mancher spanisch vorkommt. Eine höchst vergnügliche Lektüre über das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen. Meisterhaft erzählt von einem der bedeutendsten Autoren der spanischen Gegenwartsliteratur.

Fernando Aramburu wurde 1959 in San Sebastian im Baskenland geboren. Seit Mitte der 1980er Jahre lebt er in Hannover. Für seine Romane wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Premio Vargas Llosa, dem Premio Biblioteca Breve, dem Premio Euskadi und zuletzt, für »Patria«, mit dem Premio Nacional de la Critica, dem Premio Nacional de Narrativa und dem Premio Strega Europeo. »Patria« wurde als Serie für HBO verfilmt.

Die deutschen Textauszüge werden an diesem Abend vom Schriftstellerkollegen Patrick Salmen (Dortmund) gelesen. Salmen verfügt über eine der markantesten Lesestimmen in Deutschland – über »eine Stimme, die so recht geeignet scheint für Gute-Nacht-Geschichten«, urteilt z. B. der Kurier. Das Gespräch mit Fernando Aramburu führt der Redakteur und Moderator Joachim Dicks.

Eine der wohl bekanntesten Figuren der spanischen Literaturgeschichte ist der wundersame Ritter Don Quijote. In der musikalischen Comic-Lesung der Schauspielerin und Sprecherin Mareike Hein ist er als schrulliger Held, der gegen Windräder kämpft, zu erleben. Begleitend zur Lesung werden die Bilder des Autors und Zeichners Flix eingeblendet.

2012 hat Flix mit seinem Comic »Don Quijote« eine moderne Annäherung an den Ritter von der tragischen Gestalt vorgelegt. Seine Adaption ist eine komische Mischung aus Klassiker und Popkultur, Slapstick und Tragik. Flix‘ »Don Quijote« erschien zunächst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Fortsetzungsgeschichte und dann in Buchform.

Dragan Ribić greift mit seinem Akkordeon das Abenteuer des Don Quijotes des 21. Jahrhunderts atmosphärisch auf und führt den berühmten Kampf gegen die Windmühlen in der Musik fort.

Zum Auftakt der Veranstaltungen im Detmolder Sommertheater widmet sich die Bonner Romanistin Dr. Monika Wehrheim einem der zentralsten Themen in der spanischen Literatur. Unter dem Titel »Gegen das Vergessen: Die Auseinandersetzung mit Bürgerkrieg und Franco-Diktatur in der spanischen Literatur« gibt sie erläuternde Einblicke in unterschiedliche Texte, die sich dieser prägendsten Episode der jüngeren spanischen Geschichte literarisch zuwenden.

Damit der Vortrag noch greifbarer wird, liest die Fernsehschauspielerin, Sprecherin und Autorin Rike Schmid (Berlin) ausgewählte Textpassagen. Sie begann ihre Schauspielkarriere 1999 mit der ARD-Serie »Aus gutem Haus«, über 50 weitere Rollen in Serien, Kino- und Fernsehfilmen folgten, darunter »Der Fürst und das Mädchen« und »Baal«. International besetzte sie u. a. Hauptrollen im italienischen RAI-Mehrteiler »Maltese« und in der israelischen Serie »The Conductor«. 2021 spielt sie in dem Kinofilm »Die Schule der Magischen Tiere” neben Frederick Lau und Nadja Uhl.

Musikalisch gerahmt wird die Veranstaltung durch Marc Zumsande (Kirchgellersen), der einige Stücke auf der Gaita Gallega spielen wird, der traditionellen Sackpfeife, die die keltischen Einflüsse im Norden Spaniens kulturell erfahrbar macht.

Poetry Slam ist ein moderner Dichterwettstreit, bei dem die Poet*innen mit selbst verfassten Texten im friedlichen Wortduell gegeneinander antreten und bei dem das Publikum entscheidet, wer gewinnt.

Diese moderne Darbietungsform von Literatur wurde Mitte der 1980er Jahre in den USA begründet und ist seit den mittleren 1990er Jahren in Deutschland ein immer stärker wachsender Teil des jungen literarischen Lebens. Auch in Spanien hat Poetry Slam Einzug gehalten – wenngleich etwas später. Hier slammen junge und ältere Poet*innen seit gut zehn Jahren vor einem begeisterten Publikum.

In der Paderborner Kulturkneipe Sputnik wird es im Rahmen einer Poetry Slam Show zum Aufeinandertreffen der bekannten spanischen Slammerin Claudia Gutiérrez (Santander) sowie der beiden ostwestfälischen Dichterinnen Sarah Lau (Paderborn) und Jamie Postler (Rietberg) kommen.

Claudia Gutiérrez ist nicht nur die amtierende Poetry-Slam-Meisterin von Madrid, sondern auch Moderatorin und Organisatorin des Slams in Santander (Kantabrien). Sarah Lau wurde deutschsprachige U20-Vizemeisterin und mehrfache OWL-U20-Meisterin im Poetry Slam und ist Moderatorin des Paderborner U20-Slams. Ein absoluter Shooting-Star der westfälischen Poetry-Slam-Szene stammt ebenfalls aus Ostwestfalen-Lippe: Jamie Postler ist OWL-U20-Vizemeisterin und war bereits als 17-Jährige für die NRW-Meisterschaften 2019 qualifiziert.

Moderiert wird das Event von Karsten Strack (Paderborn). Strack ist Geschäftsführer des weltweit größten Poetry-Slam-Verlags Lektora und Künstlerischer Leiter des Literaturbüros OWL.

Im Anschluss an die Slam-Veranstaltung gibt es eine Aftershow-Party mit DJ Simone Schneider.

10. August 2021

Don Quijote

Seit über 400 Jahren behauptet sich ein fahrender Ritter in der Weltliteratur, der eigentlich gar keiner ist: Don Quijote besteht Abenteuer, wo es nichts zu bestehen gibt. Er hält Windmühlen für Riesen und Herbergen für Schlösser.

Das Meisterwerk des spanischen Schriftstellers Miguel de Cervantes gilt regelrecht als Sinnbild für Träumerei und Abenteuer. »„Dort warten 30 oder mehr ungeheure Riesen“«, spricht Don Quijote zu Freund Sancho Panza, »„welche Riesen?!“, entgegnet er, „diese Erscheinungen sind keine Riesen, sondern Windmühlen!“«. Und dennoch: Don Quijote stürmt mit erhobener Lanze auf die vermeintlichen Riesen los. Vergeblich!

Der Kampf des Romanhelden verbindet Lesen, Literatur und die Auswirkungen einer unbegrenzten Fantasie. Die Schauspielerin Natascha Mamier liest Passagen aus dem Klassiker und erweckt den selbsternannten Ritter zum Leben.

05. August 2021

Fräulein Nette unterwegs

Im Rahmen des Projektes »Fräulein Nette unterwegs« des Burg Hülshoff – Center for Literature (CfL) bespielt das Literaturbüro OWL einen Nachmittag lang den Park von Schloss Wewer. Auf weiten Wiesenflächen und zwischen uralten Bäumen, Flusslauf und Haselnusstrauchlaubengang stellen Alice Hasters und Rike Scheffler ihre Auftragsarbeiten vor.

Die Autor*innen lesen und performen ihre Auftragsarbeiten zu den eng mit Annette von Droste-Hülshoff verbundenen Aspekten »Scham«, »Scheitern« oder »Schönheit«. Darüber hinaus präsentieren Studierende der Universität Paderborn ihre im Rahmen des Seminars »Schönheit, Scham und Scheitern – Annette von Droste-Hülshoff im Spiegel der Gegenwartsliteratur« entstandenen Texte.

Alice Hasters thematisiert in »Ich spiele mit dem Gedanken, mich zu löschen« die Scham und den Druck, die durch (nichtzutreffende) Zuschreibungen in Social Media erwachsen können. Sie selbst hatte für eine Weile ihre Social Media Accounts gelöscht und konnte im Anschluss viele Spekulationen lesen, warum sie dies getan habe. Aber obwohl diese Vermutungen nicht zutrafen, gab es scheinbar nur noch die Auswahl zwischen falsch und falsch, wie sie damit umgehen sollte.  »bergen«, die transdisziplinäre Poesie Performance der Lyrikerin und Musikerin Rike Scheffler, ist ein auditives Fundstück, ein Archiv aus der Zukunft und eine Karte zu ihr hin. Hier sammelt und pflegt ein menschliches, zukünftiges Ich verzweifelt, liebevoll und widerständig, was es angesichts eines konkret drohenden ultimativen Scheiterns, des menschlichen Untergangs, umso stärker behüten will. Mit Stimme, Loopmaschine, Synthesizer und Effektgeräten kreiert sie Live-Verdichtungen von Sprache, Sound und Gesang.

»Fräulein Nette unterwegs« ist ein realer und performativer Parforceritt mit Annette von Droste-Hülshoff, auf Basis von Karen Duves Roman »Fräulein Nettes kurzer Sommer«. Die Autorin beschreibt in ihm nicht nur die amouröse »Jugendkatastrophe« der Droste, sondern thematisiert auch die zahlreichen Verwandtenbesuche und die damit einhergehenden beschwerlichen Reisen zu jener Zeit. Im Rahmen des vielteiligen Projektes des CfL begibt sich Karen Duve Anfang September mit der Sängerin Bettina Bruns zu Pferd auf die historische Reiseroute von Münster nach Brakel, anschließend geht es mit allerhand weiteren Künstler*innen und Publikum zurück. An verschiedenen Droste-Orten sind dann unterschiedlichste Programme zu erleben.

Die Veranstaltung findet inhaltsgleich dreimal statt, Startzeiten sind 15:00 / 17:00 und 19:00 Uhr. Bitte achten Sie bei der Kartenbestellung auf die passende Zeit.

Die Veranstaltung ist nicht barrierefrei.

Welche Geschichten gab es in Lemgo für den Autor Thomas Pletzinger zu entdecken? Und wie beschrieb im Gegensatz dazu der in Lemgo geborene Forschungsreisende Engelbert Kaempfer seine Erlebnisse im Orient des 17. Jahrhunderts? In ihren Lesungen stellen Thomas Pletzinger und August Zirner den Blick nach und aus Lemgo gegenüber.

Im August letzten Jahres machte sich Thomas Pletzinger auf den Weg nach Ostwestfalen-Lippe, genauer gesagt nach Lemgo. Auf seinen Streifzügen durch die Stadt näherte der Schriftsteller sich bekannten und weniger bekannten Orten und versuchte zu ergründen, was die Alte Hansestadt ausmacht. »Es ist immer eine interessante Herausforderung, sich einem für mich gänzlich unbeschrieben Ort mit dem Notizbuch zu nähern. Welche Geschichte drängt sich auf, was wird erst auf den zweiten Blick sichtbar?«, verriet er vorab.

Thomas Pletzinger versteht es, genau hinzuschauen, den Dingen nachzugehen und im Offensichtlichen das Überraschende zu entdecken. Seine Eindrücke, die Begegnungen mit Menschen in Lemgo und Gedanken, die ihn während seines Aufenthalts umtrieben, waren Ausgangspunkt seiner Auftragsarbeit. Ein Jahr später spiegelt die Geschichte des Textes aber auch die Geschichte der Pandemie, »so oft verschoben und fast aus einem anderen Leben«, schreibt Thomas Pletzinger. Im Alten Ratssaal von Lemgo erlebt der Text seine Premiere.

Das genaue Hinsehen war auch dem Lemgoer Arzt Engelbert Kaempfer, der posthum als einer der bedeutendsten deutschen Orientreisenden des 17. Jahrhunderts gilt, zu eigen. Seine fast zehnjährige Forschungsreise von 1683 bis 1693 führte ihn über Russland und Persien in das damals für Europäer*innen unzugängliche Japan. Seine detaillierten Beobachtungen zu Menschen, Herrschaftsstrukturen, Schrift und Sprache, botanischen Phänomenen oder medizinischen Aspekten der bereisten Länder wurden zu Klassikern. Für Kaempfer zählte nur die eigene Erfahrung, er »koche … nicht von anderen gekochten Kohl wieder auf«. Der Schauspieler August Zirner liest aus den großen Werken Kaempfers, den »Amoenitates« und dem Japanwerk, sowie aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen.

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