»111 Gründe, Polen zu lieben« ist eine ebenso witzige wie hintergründige Liebeserklärung des Schriftstellers Matthias Kneip an Deutschlands östliches Nachbarland und seine Menschen und bietet eine ebenso leichte wie fundierte Einführung in die diesjährigen »Literarischen Positionen in Europa«. Humorvoll und augenzwinkernd nimmt Matthias Kneip die Leser*innen auf eine sehr persönliche Reise durch das Land zwischen Oder und Bug, ohne dabei den Blick für die Realitäten zu verlieren.

Wussten Sie beispielsweise, dass Polen mit dem Meer verheiratet ist? Oder dass der größte Gartenzwerg der Welt im polnischen Nowa Sól zu finden ist? Neben kuriosen Sehenswürdigkeiten widmet Kneip sich auch den Eigenheiten der polnischen Mentalität oder besonderen Werken polnischer Kultur. Selbstverständlich darf bei einer solchen Liebeserklärung der Blick in den nationalen Kochtopf nicht fehlen! Auch polnische Geschichte und Traditionen begleitet die Leser*innen auf dieser literarischen Reise durch ein Land, das zu entdecken sich lohnt.

Matthias Kneip ist selbst ein Pendler zwischen den Kulturen, ein Grenzfall zwischen Deutschland und Polen.

Zum Anlass ihres 50-jährigen Bestehens lädt die Lippische Gesellschaft für Kunst – gemeinsam mit dem Literaturbüro OWL, dem Weserrenaissance-Museum Schloss Brake, der Hochschule für Musik Detmold und dem Kreis Lippe – zu einem »Kulturtalk« ein. Im Detmolder Sommertheater werden in einer musikalischen Lesung und einer hochkarätig besetzten Gesprächsrunde Fragen zu Kunstfreiheit und Demokratie verhandelt.

Die Initiative zu dieser Doppelveranstaltung geht zurück auf eine gesellschaftspolitische Entwicklung der setzten Jahre, die leider immer stärker wird: »Manchmal sind es anonyme Hassmails oder Mord und Bombendrohungen. Manchmal sind es Anfragen der AfD in Parlamenten, Stadträten und Kulturausschüssen, etwa zur Finanzierung einzelner Bühnen oder zu ihrer inhaltlichen Ausrichtung. Manchmal sind es Strafanzeigen, Störaktionen, Demonstrationen gegen Kunstprojekte oder Polemiken […] Die Akteure und ihre Mittel sind unterschiedlich. Was sie verbindet, ist die Aversion gegen ein weltoffenes, liberales Kulturleben und der Versuch, Kunstinstitutionen zu diskreditieren […] In der Ballung solcher Aktionen wird ein Muster erkennbar: Die Neue Rechte hat Kultur als Kampffeld entdeckt« (Einleitung der Recherche von ttt und der Süddeutschen Zeitung, August 2019).

Künstlerische Freiheiten für Kulturschaffende und Veranstalter*innen sind nicht nur nicht selbstverständlich, sondern verteidigenswert. Unter dem Titel »Kunstfreiheit – Messlatte für Demokratie? « diskutieren vor dem Hintergrund von Angriffen auf die Kultur von rechts Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Andreas Voßkuhle (Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D.), Klaus Staeck (Grafikdesigner und Jurist), Katharina Kreuzhage (Intendantin Theater Paderborn), Dr. Erik Bettermann (Intendant der Deutschen Welle a.D.) und Christiane Heuwinkel (Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin des Kunstforums Hermann Stenner). Es moderiert Ute Schäfer (Staatsministerin a.D.).

Die Schauspielerin Helene Grass liest thematisch passend aus Julian Barnes Roman »Lärm der Zeit«: Im Mai 1937 wartet ein Mann jede Nacht neben dem Fahrstuhl seiner Leningrader Wohnung darauf, dass Stalins Schergen kommen und ihn abholen. Es ist der Komponist Schostakowitsch, und er wartet am Lift, um seiner Familie den Anblick seiner Verhaftung zu ersparen. Im 2016 erschienen Roman von Julian Barnes wird das von Repressionen geprägte Leben im Faschismus in meisterhafter Knappheit dargestellt – ein großartiger Künstlerroman, der immer noch aktuell ist.

Korrespondierend zur Lesung spielen Anastasiia Tcaregorodtceva und Timur Hamidovic Osmanov (Studierende der Hochschule für Musik Detmold) die Sonate für Violoncello und Klavier Op. 40, dmoll (1934) von Dimitri Schostakowitsch.

Der Roman »Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron« von Yade Yasemin Önder wird als eines der spannendsten Debüts des Jahres gefeiert: »Ein furioser Text voller Drastik und Schönheit. […] Was für ein Debüt!« (SWR). Im Rahmen der Reihe »Wörterleuchten« gibt Yade Yasemin Önder im Haus Münsterberg eine gemeinsame Lesung mit dem Schauspieler Hanno Koffler, der von der Autorin ausgewählte Texte liest.

Yade Yasemin Önders Debüt ist ein wilder Roman über den Körper, über Fremdheit und Ankommen, über Identität und Differenz, der durch seine Kühnheit immer wieder verblüfft: schnell und klug und bei aller Düsterkeit irrsinnig komisch. Im Jahr nach Tschernobyl wird die Ich-Erzählerin geboren, irgendwo in der Westdeutschen Provinz, als »Mischling aus meiner Mutter und meinem Vater«, wie es heißt. Doch die intakte Kernfamilie währt nicht lange: Der türkische Vater (so übergewichtig, dass man »fast nichts mit ihm machen kann, was mit Schwerkraft zu tun hat«) stirbt. Alleingelassen ergeben Tochter und Mutter eine toxische Mischung. Der Roman erzählt, wie ein Mädchen hinausfindet aus einer beschädigten Familienaufstellung hinein in eine düster-funkelnde BRD. Er erzählt von einem Großvater mit Loch im Hals, von Sommern in Istanbul, die nach zu heißen Elektrogeräten riechen und nach Anis; von Dingen und Menschen, die auf Nimmerwiedersehen aus dem Fenster fliegen. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die sich immer wieder verliert und wiederfindet, auseinanderfällt und neu zusammensetzt.

In Yade Önders Roman finden sich lauter Miniaturen, mal märchenhaft, dann wieder hyperrealistisch, Lyrismen folgen auf Dialoge, es gibt Briefauszüge und weitere erzählerische Formen im Wechsel. Die Nähe zu Raymond Queneaus populärem Klassiker »Stilübungen«, in denen der Autor eine Alltagsepisode in über hundert Varianten beschreibt, ist sichtbar und bewusst gewählt. Der Schauspieler Hanno Koffler liest Auszüge aus den »Stilübungen« und aus Texten des französischsprachigen Autors und Malers Henri Michaux, die Yade Yasemin Önder in ihrem Schreiben inspiriert haben. Henri Michaux sah in der Kunst das Tor zu anderen Welten und um es zu öffnen, bediente er sich auch halluzinatorischer Mittel. Auf diese Weise entdeckte er eine teils surrealistische Bildersprache, die er in einem umfangreichen grafischen und literarischen Werk verarbeitete.

Der Bekanntheitsgrad der polnischen Literatur hält sich in Deutschland in überschaubaren Grenzen. Dabei gibt es zahlreiche hochkarätige Schriftsteller*innen, die insbesondere in der Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen immer wieder überzeugende Texte vorlegen.

Aus diesem Grund plant das Literaturbüro OWL nach den Literarischen Positionen Frankreich 2017, Rumänien 2018, Norwegen 2019, Italien 2020 und Spanien 2021 unter dem Titel »Literarische Positionen in Europa: Polen! Schreiben im multiperspektivischen Kontext« eine dreitägige Veranstaltungsreihe in Bielefeld, die vom 24.-26. November 2022 die »Multiperspektiven« von Schriftsteller*innen und Musiker*innen auf die Bühne bringt, die geographisch, emotional und künstlerisch in mehreren Ländern »beheimatet« und dennoch eng mit Polen verbunden sind. Dabei soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, was die Literatur und Kultur des östlichen Nachbarlandes eigentlich so besonders macht.

Die Reihe ist im Jahr 2022 geprägt durch einen vielfältigen Mix aus Lesungen, Poetry Slam und literarischem Musikabend, der ein Publikum aus diversen Altersgruppen ansprechen soll. Eine multimediale Literaturvisualisierung der polnischen Performance-Poetin und Kosmopolitin Weronika Lewandowska ist nicht nur beim Poetry Slam am Start, sondern begleitet sämtliche Veranstaltungen als Begrüßungs- und Pausenkunst. Die in Deutschland lebenden Autor*innen Alexandra Tobor und Artur Becker eröffnen im Rahmen einer Doppellesung den durch die Verortung in den beiden Heimaten geprägten literarischen Blick auf unser östliches Nachbarland, während die ebenfalls aus Polen stammende Sängerin Margaux Kier mit ihrem Chanson-Programm den musikalischen Fokus auf das Land richtet. Mit Matthias Kneip wird ein weiterer Pendler zwischen der deutschen und polnischen Kultur eine umfassende Einführungsveranstaltung geben.

Darüber hinaus nimmt das PolenMobil die junge Zielgruppe der Schüler*innen in das Blickfeld, indem es im Rahmen von Unterrichtsbesuchen landeskundliche, historische, sprachliche, kulturelle und politische Inhalte zu Polen vermittelt.

Programm:

Poetry Slam Show
Do, 24. November 2022, 20:00 Uhr
Lichtwerk Bielefeld

»111 Gründe, Polen zu lieben« – Eine Einführung
Fr, 25. November 2022, 19:30 Uhr
Lichtwerk Bielefeld

Doppellesung
Sa, 26. November 2022, 15:30 Uhr
Lichtwerk Bielefeld

Live-Konzert
Sa, 26. November 2022, 20:00 Uhr
VHS Bielefeld

Mit seinem Literaturprojekt »Literarische Pat*innen« fördert das Literaturbüro OWL seit 2021 den generationenübergreifenden Austausch von Autor*innen in Ostwestfalen-Lippe. In diesem Jahr sind Lisa Richter (Paderborn) und Werner Pfeil (Hövelhof), Nicole Pfau (Paderborn) und Christiane Antons (Bielefeld) sowie Elena Baum (Rheda-Wiedenbrück) und Jan Brauns (Bielefeld) als Tandems dabei.

Von Mai bis Dezember 2022 treffen sich die Duos und kommen so in den gemeinsamen Austausch. Zum Teil begleiten und unterstützen dabei jeweils die erfahrenen Autor*innen die jungen Autor*innen, die sich noch in der Frühphase des Schaffens befinden. Die Begegnung ist allerdings keineswegs einseitig gedacht. Es geht auch in diesem Projektjahr vielmehr darum, eine echte Win-Win-Situation zu schaffen: Beide Schriftsteller*innen-Generationen profitieren von den gegenseitigen Blickwinkeln und inspirieren sich im Idealfall wechselseitig. Und nicht nur das: Die beteiligten Autor*innen arbeiten auch an gemeinsamen Texten oder reflektieren das Werk der*s jeweils Anderen in eigenen Texten.

Die Ergebnisse dieses literarischen Austausches werden bei der großen Abschlusslesung präsentiert. Moderiert wird die Veranstaltung von Karsten Strack, der das gesamte Projekt als Künstlerischer Leiter des Literaturbüros begleitet.

Die »Literarischen Pat*innen sind Teil des Projekts »Meeting of Generations«.

Den Gedanken eines literarischen Austauschs der Generationen verfolgt das Literaturbüro OWL seit 2021 unter dem Obertitel »Meeting of Generations«. Mit Erfolg ist in diesem Rahmen auch die Lesungs- und Gesprächsreihe »DoubleTrouble: Autor*innen lesen über den Tellerrand der Generationen!« initiiert worden.

Unter dem Titel »DoubleTrouble: Kultur(en) und Gesellschaft!« lesen Renan Demirkan und ihre Tochter Ayshe Gallé Texte, die eine Verbindung zum generationenübergreifenden Thema Kultur(en) und Gesellschaft aufweisen. Dieses Familientreffen der besonderen Art verspricht einen äußerst spannenden Abend, da sich Mutter und Tochter ohnehin im permanenten Austausch darüber befinden, wie sich Gesellschaft im Kontext der (Multi-)Kulturen entwickelt.

In Ankara geboren, kam Renan Demirkan 1962 als Siebenjährige nach Deutschland. Sie gilt als Multitalent und als eine der intensivsten deutschsprachigen Darstellerinnen. Ihr erster Roman »Schwarzer Tee mit drei Stück Zucker«, erschienen 1991 und in vier Sprachen übersetzt, stand wochenlang auf der Spiegelbestseller-Liste und ist heute zu einem Teil der Schulliteratur geworten. Renan Demirkan erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u.a. den Grimme Preis, die Goldene Kamera und das Bundesverdienstkreuz 1997 und 2018 den Demokratiepreis der SPD Rheinland-Pfalz). 2016 initiierte sie den Aufruft »Checkpoint:demokratie«, der im Mai 2017 zu einem eingetragenen Verein wurde und dessen Vorstandvorsitzende sie ist.

Ayshe Gallé (*1986 in Köln) ist Kosmopolitin, Künstlerin und hat 2020 mit »Kinder des Widerstands« eine bemerkenswerte Publikation vorgelegt, die sich explizit mit den Auswüchsen des gesellschaftlichen Lebens beschäftigt: »Wer kam eigentlich auf die absurde Idee, den Mars zu besiedeln, anstatt zu lernen, wie man Lebewesen anständig behandelt? Den Mars! Wie kommt man auf so einen Schwachsinn? Einen lebendigen Planeten gegen einen toten Planten eintauschen zu wollen, nur um nicht zuhören zu müssen, nur um sich Fehler nicht eingestehen und Kurskorrektur vornehmen zu müssen – nur um sich der Verantwortung zu entziehen! Wir müssen uns ändern! Ich freu mich drauf.«

In dieser »Wörterleuchten«-Veranstaltung begegnen sich im Haus Münsterberg der Romanautor Doron Rabinovici und die Sachbuchautorin Nina Horaczek. Ihre Bücher »Die Einstellung« (2022) und »Populismus für Anfänger« (2017) nähern sich von unterschiedlichen Seiten dem aktuellen Populismus in unserer Gesellschaft, den Demagog*innen und ihrem Wirken. Die Autor*innen sind mit Lesungen aus ihren Büchern zu erleben und im Gespräch geht es ebenso um die Inhalte wie um die Chancen und Begrenzungen der unterschiedlichen literarischen Formate.

Mit Witz, Ironie und Fabulierlust erzählt Doron Rabinovici in seinem Roman »Die Einstellung« von einer immer stärker polarisierten Gegenwart, einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft. Es geht um die Relativierung von Fakten, die Anziehungskraft des Autoritären, die Macht der Bilder. Es geht um den Kampf eines Populisten gegen einen Fotografen, der genau weiß, dass jede Aufnahme Zeugnis einer Einstellung ist: August Becker ist der Star unter den Pressefotografen, und soll im aktuellen Wahlkampf um die Kanzlerschaft den Spitzenkandidaten einer populistischen Partei, Ulli Popp, fotografieren. August Becker will den Mann hinter der Fassade von Fürsorglichkeit entlarven, seine Brutalität, seinen Zynismus. Tatsächlich gelingt ihm ein Schnappschuss, von dem er überzeugt ist, dass er den Ausgang der Wahl entscheidend beeinflussen wird – bis sich von einem Tag auf den anderen alle Gewissheiten ins Gegenteil verkehren.

Die Populist*innen scheinen in Europa unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Und die meisten agieren, als gäbe es keine Strategien gegen die rechten Volksverführer*innen. Die Journalistin Nina Horaczek und der Kommunikationsexperte Walter Ötsch zeigen in ihrem Buch »Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung« die Tricks und Täuschungsmanöver der Demagog*innen. Sie beziehen sich dabei auf die Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte und geben als fiktive Coaches Tipps, wie man ein*e erfolgreiche*r Populist*in wird. Klug und unterhaltsam werden so Strategien von Demagog*innen entschlüsselt und die Leser*innen erfahren zudem, was man selbst gegen Populist*innen tun kann. »Denn«, wie es im Vorwort heißt, »nur wer versteht, wie Volksverführung funktioniert, ist immun gegen das Gift, das die Verführer versprühen.«

04. August 2022

DoubleTrouble: Kunst!

Die beteiligten Autor*innen der Reihe »DoubleTrouble« lesen über den Tellerrand der Generationen. Nora Gomringer und Meral Zigeler sind zu Gast bei der durch den künstlerischen Leiter des Literaturbüros OWL, Karsten Strack, moderierten Lesungs- und Gesprächsreihe. Thematisch geht es an diesem Abend in Texten und Gespräch um nichts Geringeres als die Kunst.

Nora-Eugenie Gomringer (Bamberg) leitet seit 2010 das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg als Direktorin im Auftrag des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Zahlreiche Aufträge, Aufenthaltsstipendien und Lehraufträge, auch im Namen des Goethe Instituts und der Pro Helvetia, haben sie als Autorin, Dozentin und Performerin rund um den Globus geführt. Bisher hat sie neun Lyrik- und zwei Essaybände veröffentlicht. Vielfältige Formen der Zusammenarbeit mit Musiker*innen und Bildenden Künstler*innen runden ihr Werk ab und erweitern es beständig. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen für ihre Arbeit erhalten: u.a. den Förderpreis des Freistaates Bayern, den E.ON Kulturpreis, den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache, den Joachim-Ringelnatz-Preis, die Europa-Medaille des Freistaats Bayern sowie den Ingeborg-Bachmann-Preis.

Meral Ziegler (Düsseldorf) schreibt für die Bühne, fürs Fernsehen, für sich selbst. Ziegler ist als freie Autorin, Kunstwissenschaftlerin und Spoken-Word-Künstlerin tätig, ihr Schreiben und ihre Performances wurden mit Stipendien und Preisen ausgezeichnet. Ziegler arbeitete bereits für diverse namhafte Institutionen, Stiftungen und Verbände, u.a. die Goethe Institute Luxemburg und Paris. 2017 verlieh ihr die Stadt Konstanz den Literaturförderpreis »Junge Kunst«. Seit diesem Jahr ist sie Redakteurin und Moderatorin der Züricher Literaturtalk-Reihe »Wortfetzen«. Im April veröffentlicht der WDR die erste Folge der TV-Show »Clinch«, die sie als Redakteurin, Autorin und Künstlerin gestaltet. Ziegler ist zudem als studierte Kunstwissenschaftlerin und freie Autorin für unterschiedliche renommierte Museen und Sammlungen tätig, wie die Julia Stoschek Collection, KAI10 Arthena Foundation oder das Museum Kunstpalast. Sie beendet derzeit ihren M.A. der Kunstvermittlung und des Kulturmanagements in Düsseldorf.

Im Rahmen der Herforder Erlebnistage liest der Autor Sascha Thamm aus seinem aktuellen Buch »Wildwasser-Rafting im Nichtschwimmerbecken«.

Sascha Thamm widmet sich in seinen Kurzgeschichten den großen Themen des Weltgeschehens. Es geht unter anderem um piepsende Rauchmelder, das sehnsüchtige Warten auf eine Draisine und natürlich um lässig schlendernde Kraniche. Aber auch mit seinen lyrischen Juwelen fliegt er zielsicher unter dem Radar der Hochkultur.

»Was kann schöner sein als das imaginäre Bild von Godzilla, der Mariah Carey mit einem Feuerstoß abfackelt? Dieses Buch von Sascha Thamm. Man will es fest an sich pressen und nie wieder loslassen. Saschas Humor ist wie ein Golden Retriever mit Silikonbrüsten. Äußerst ungewöhnlich … aber irgendwie geil.« (Martin Fromme)

Die Herforder Erlebnistage sind eine Reihe der Pro Herford GmbH. Die Lesung ist eine Kooperation mit dem Literaturbüro OWL. Die Veranstaltung ist kostenlos, um eine Anmeldung wird gebeten. Nähere Informationen gibt es hier.


HEIMAT – eine Emotion oder ein Ort? Eine Realität oder ein Ideal? Diesen und zahlreichen anderen Fragen ist das Projekt »Experiment HEIMAT« des Westfälischen Literaturbüros in Unna nachgegangen. Im Zeitraum von 2021 bis 2022 setzten sich renommierte Autor*innen und Fotograf*innen künstlerisch mit acht bereits als HEIMAT etablierten Räumen oder aus bestimmter Perspektive »heimatlich« konnotierten Orten in Westfalen auseinander. Einer dieser HEIMAT-Orte war das Hermannsdenkmal in Detmold.

Der Autor Wladimir Kaminer und die Fotograf*innen Ute Mahler und Werner Mahler waren 2021 für einen Rechercheaufenthalt in Detmold unterwegs. In Begegnungen und im Austausch mit den hier lebenden Menschen näherte sich das Trio dem Wahrzeichen Lippes mit Stift und Kamera. Im Anschluss an ihre Recherchereisen setzten die an »Experiment HEIMAT« beteiligten Autor*innen und Fotograf*innen ihre Eindrücke künstlerisch um. Es entstanden literarische Texte und Fotoserien zu den HEIMAT-Orten, die in einem Text-Foto-Band veröffentlicht und in einer Wanderausstellung aufbereitet wurden, die 2022 an die HEIMAT-Orte zurückkehrt.

Die Ausstellungseröffnung in Detmold findet im Lippischen Landesmuseum Detmold statt. Im Rahmen einer Vernissage werden Wladimir Kaminer, Ute Mahler und Werner Mahler ihre in Detmold entstandenen Texte und Fotos präsentieren.

»Mein Herz ist grün vor Wald«, schrieb einst der Heimatdichter Christian Dietrich Grabbe – geboren und gestorben in Detmold – über die Region seiner Heimat. Die Fotografien von Ute Mahler und Werner Mahler aus dem Teutoburger Wald erinnern an das »grüne Herz«. Nicht, weil die Fotografien farblich grün sind, es sind Schwarzweißfotografien, sondern, weil sie das Üppige des Waldes genauso wie seine Fragilität zeigen. Der Autor Wladimir Kaminer beschäftigt sich in seinem Text »Hermann« mit dem Prozess der »Hermannisierung« der Russlanddeutschen, die in ihre historische Heimat zurückkehren, bevorzugt in die Nähe des Hermannsdenkmals, damit das Eintauchen in die deutsche Sprache und Kultur angeblich schneller verläuft – so las er mal in einer russischen Zeitung. Ein Experiment am eigenen Leib wird durchgeführt. Er beobachtet, wie Heimaten entstehen und mit einer präzisen Genauigkeit und mit einem humorvollen Blick das Volk sowie das Hermannsdenkmal: »Ein wenig erinnerte er (Hermann) mich an die Freiheitsstatue in New York, nur, dass Hermann einen komischen Helm mit Öhrchen statt eines Kranzes auf dem Kopf trägt und ein Schwert statt einer Fackel in der Hand hält.« (Wladimir Kaminer)

Die Ausstellung wird vom 19. November bis zum 11. Dezember im Lippischen Landesmuseum Detmold zu sehen sein.

Details zu den anderen HEIMAT-Orten, den weiteren Künstler*innen und dem Text-Foto-Band sowie der Wanderaustellung, die die literarischen und fotografischen Ergebnisse präsentieren, sind auf der Webseite zum Projekt »Experiment HEIMAT« zu finden.

12. Juli 2022

Dorfgeschichten

Die Schauspielerin Annette Frier liest aus dem Künstlerroman »Das Gänsemännchen« von Jakob Wassermann. Einer der populärsten Erzähler seiner Zeit (1873-1934) und heute ein zu Unrecht vergessener jüdischer Autor, schreibt die Lebensgeschichte eines Nürnberger Komponisten. Es sind Stationen einer Lebensgeschichte, die Wassermann kennt: Ankommen, Assimilation, Kunst, Anerkennung, Scheitern.

Der Künstler Daniel Nothafft steht zwischen zwei Frauen: der spröden Gertrud und der lebenslustigen Leonore. Er heiratet Gertrud und liebt Leonore. Dem Komponisten zuliebe führen sie eine Ehe zu dritt. Das unglückselige Dreiecksverhältnis wird zum Skandal und Daniel zum Gespött der Stadt. Das Dasein eines Komponisten muss er sich hart erarbeiten. Ein Mann, der verzweifelt versucht, die höchsten Gipfel der Kunst zu erklimmen, ein romantisches Musikideal erstrebt und sich geradewegs in den Verlust seines kompositorischen Lebenswerkes verläuft.

Der Roman ist ein Plädoyer für das Ankommen und Scheitern zugleich, für das pathologische Streben eines Traumes und für die Unvereinbarkeit von Zugehörigkeiten. Wassermann selbst kämpft für ein anerkennendes Ankommen in seinem Leben und endet letztendlich mit der Diagnose der Unvereinbarkeit des Deutschen mit dem Juden. Die Romanfigur Daniel scheitert an dem Druck der Gesellschaft, die ihn auf einen Irrweg führen lässt.

Mit dem Titel »Das Gänsemännchen« erinnert Wassermann an eine Nürnberger Bronzeskulptur, die einen Bauer zeigt, der zwei Gänse unter dem Arm hält, die er auf dem Markt verkaufen möchte. Die Gänse aber, die ihr Schicksal ahnten, begannen so laut zu schnattern, dass der Bauer nach Hause zurückkehren musste. Sicher eine Erinnerung an die unglückselige Dreiecksbeziehung der Romanfigur, aber auch eine Erinnerung an den Versuch zu leben und dabei zu scheitern.

21. Juni 2022

MACHT(ge)HABE

Autoritäre Herrscher sind in erschreckend vielen Ländern immer noch und wieder an der Macht. Auch unter dem Deckmantel der Demokratie führen sie ein nahezu despotisches Regime nach ihren ganz eigenen Gesetzen. Kritische Stimmen werden – häufig mit allen Mitteln – zum Schweigen gebracht; die Repressionen treffen natürlich auch die Schriftsteller*innen.

Die Schauspieler*innen Felix Klare und Gabrielle Pietermann lesen Texte von Autor*innen aus Belarus, der Türkei und Kenia, die ihre Stimmen aus dem Exil heraus erheben, das Erlebte dokumentieren und zu Literatur formen. Die Lesungen werden von Harfenmusik umrahmt und akzentuiert. Mirjam Schröder interpretiert die gelesenen Texte mit den vielseitigen musikalischen Möglichkeiten der Harfe; die Sehnsucht nach Frieden, nach Freiheit und Harmonie wird ebenso hörbar wie Unterdrückung, Gewalt und Zerrissenheit.

In Sasha Filipenkos Roman »Der ehemalige Sohn« verunfallt der junge Franzisk auf dem Weg zu einem Rockkonzert und fällt ins Koma. Erst nach einem Jahrzehnt öffnet er wieder die Augen und erwacht in einem Land, das in der Zeit eingefroren scheint: Immer noch ist ein autoritärer Präsident an der Macht, die jungen Leute verlassen das Land und jeder Protest wird sogleich erstickt. Filipenko lässt in seinen Text reale Ereignisse und Gepflogenheiten aus Belarus einfließen, so dass mit »Der ehemalige Sohn« ein hellsichtiges, belarussisches Gesellschaftsporträt des 21. Jahrhunderts entstanden ist.

Im Nachhinein wirkt Aslı Erdoğans »Haus aus Stein« über das berüchtigte Folterzentrum Sansaryan Han prophetisch, denn nur wenige Jahre nach der Veröffentlichung wurde die Autorin aus politischen Gründen verhaftet und über Monate im Gefängnis festgehalten. »Haus aus Stein« ist ein symphonisch komponierter Roman über Gefangenschaft und den Verlust aller Sicherheiten. Ein Bewältigungsversuch einer Überwältigten, das Zeugnis der Begegnung mit willkürlicher Gewalt, brutaler Einsamkeit und radikaler Verlorenheit.

Der kenianische Schriftsteller Ngũgĩ wa Thiong’o zählt zu den wichtigsten Erzählern Afrikas. »Herr der Krähen« ist eine Satire auf den Prototypen des afrikanischen Despoten. Der Roman spielt in der fiktiven Freien Republik Aburiria, deren Herrscher von einer mysteriösen Krankheit überrascht wird: er bläht sich wie ein Ballon auf und hängt seither unter der Zimmerdecke. Kein Arzt kann ihm helfen, nur der ›Herr der Krähen‹. »Herr der Krähen« ist ein universeller Diktatorenroman, der sich, geschrieben in der Tradition des mündlichen Erzählens, trotz des schweren Themas durch seine erstaunliche Leichtigkeit auszeichnet.

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